Warum hört man eigentlich so selten Gedichte? Wer geht heute schon in eine Lesung, in der Lyrik rezitiert wird? Sicher, Rezitatoren wie Lutz Görner haben ihre Fangemeinde -- und das auch zu Recht -- aber es ist schon ein überschaubares und sehr "spezielles" Publikum. Und ansonsten hört und liest man Gedichte in der Schule, vielleicht hat man im Regal eine Sammelausgabe von den schönsten Liebesgedichten stehen oder man schreibt schon mal 'ne Gedicht-Postkarte. Und das war's. Vielleicht ist es da gar nicht schlecht, sich schöne (und bekannte) Liebesgedichte auf CD anzuhören. Und zwar nicht etwa als trocken gesprochenes Wort, sondern als Liebeslieder vertont. Denn genau das hat der Gitarrist, Sänger und Rezitator Oliver Steller meist überzeugend gemacht. Als Perkussionisten hat er sich den renommierten in Deutschland lebenden Inder Ramesh Shotan zur Seite geholt, Frank Schulte war für die elektronische Seite zuständig und Steller selbst komponiert, spielt Gitarre und singt. Manchmal klingt er dabei ein ganz kleines bisschen wie Xavier Naidoo. Die Musik allerdings ist nicht nur deutscher Soul-Schlager, sondern mal Blues, mal Singer/Songwriter, mal finden sich Kunstliedelemente, mal indische Rhythmen und mal kleine elektronische Anflüge. Ein Lied, das mir unbekannte "Der Vogel Pihi" trägt Steller gar auf der Melodie von "Summertime" vor. Als Dichterinnen und Dichter treten Erich Fried, Heinrich Heine, Robert Gernhardt, Else Lasker-Schüler, Goethe und Hofmann von Hofmannswaldau auf. Nur manchmal erscheinen die akustischen Sample-Schmankerl etwas arg vordergründig, wenn zum Beispiel zu "Am Strande" Meeresrauschen im Hintergrund säuselt oder bei einem Gernhardt-Gedicht eine Frauenstimme durchgehend rumkichert. Trotzdem -- im Ganzen eine sehr schöne CD. Und er klingt auch nicht wirklich nach Xavier Naidoo. --Anja Buchmann Quelle:
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