Wer die Ehre hat, die Nobelpreisträgerin in ihrem Arbeitszimmer besuchen zu dürfen, darf sich nicht wundern, neben einer Sigmund Freud-Ausgabe auch auf die Memoiren eines Oliver Kahn zu stoßen. Elfriede Jelinek ist ein Schwamm. Banales neben Erhabenem, Daily Soap und Nestroy, eine ungeheure Krimisammlung, Illustrierten-Gebrabbel –, alles wird aufgesogen, verarbeitet und in Texte umgewandelt. Doch wer ist diese höflich distanzierte und feinnervige Frau, die mal als Wiener femme fatale, mal im Yamamoto-Fummel mit Adidas kombiniert daherkommt und seit Jahren ihre Verletztheit und Wut herausschreit? Verena Mayer und Roland Koberg, dieses sympathische "gemischte Doppel", versuchte eine Annäherung. Heraus kamen Bilder eines merkwürdigen Lebens und eine kluge und detaillierte Werkschau. "Die Elfi schafft das schon." Vorhaltungen der Lehrer, Orgel- und Klavierstudium am Konservatorium, dazu der Unterricht am Gymnasium überstiegen die Kräfte einer Sechzehnjährigen, werden von der Mutter lapidar abgeschmettert. Der Vater demenzkrank und verstummt, die Mutter, gnadenlos den künstlerischen Aufstieg ihrer Tochter forcierend, der ihr selbst versagt geblieben war. Panikattacken waren die Folge, schließlich der psychische Zusammenbruch. Lyrik bot einen Ausweg. Die späte Abrechnung erfolgte 1983, als "elfi" ihrer Mutter ein druckfrisches Exemplar der Klavierlehrerin überreichte. Blankes Entsetzen! Der gute Ruf! Die Leute! Ilona Jelinek und ihre kleine Tochter – eine lebenslange, auf ewig prägende Verbindung. Ob WG's, Künstlerfreunde, Männer -- die Dichterin ist nicht zu vereinnahmen, bleibt mehr draußen als drinnen. Ein flatterndes Wesen, diszipliniert allein in ihrer Kunst, stets schnüffelnd, dem Ungeist und der Unterdrückung eine Stimme zu verleihen. Dann lösten die Dramen die Bücher ab. "Ein ganz ohne Zweifel geniales Stück, aber wahrscheinlich kein gutes." Eine Kritikerstimme, stellvertretend für die Akzeptanz ihrer ersten Werke. Mit Wolken.Heim. von 1988 entstanden dann jene "polyphonen Textflächen" mit ihren einander überlagernden Bühnenstimmen, identitätslosen Gestalten, losgelöst von Zeit, Raum und Ort. Ein Sportstück, inszeniert vom genialen Einar Schleef wird an der Burg zur dramaturgischen tour de force. Die letzten Bilder dieses großartigen Lebensberichts flackern von den Videowänden der schwedischen Akademie. Elfriede Jelinek grüßt von ferne. Schickt ihren Text. Da war sie plötzlich wieder, die Angst! –Ravi Unger Quelle:
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