Es ist mittlerweile einige Zeit her, daß Jan Philipp Reemtsma entführt und erpreßt wurde. Bis zur Geldübergabe von DM 30 Millionen befand er sich 33 Tage in den Händen seiner Entführer -- gefangen in einem Kellerloch. Nun hat er ein Buch über diese Zeit geschrieben. Als Vorgeschmack sind Auszüge aus diesem Bericht in einer dreiteiligen Spiegel-Serie erschienen und diese Passagen waren beeindruckend. Der jetzt erschienene schmale Band beschreibt auf eine so noch nicht gelesene Art und Weise sein Leben im und nach dem Keller. Zunächst schildert Reemtsma den äußeren Ablauf der Entführung. Wie er brutal vor seinem Haus in Hamburg, Blankenese, niedergeschlagen und in einem Auto verschleppt wurde. Die Rolle seiner Frau, als sie die Polizei hinzuzog und das schwierige Verhandeln mit den Entführern selbst. Es ist die Perspektive von außen, wie sie später in den Medien nachgelesen werden konnte. Der zweite Teil des Buches berichtet über Reemtsmas Aufenthalt im Keller. Um die notwendige Distanz zu wahren, schreibt er von sich in der dritten Person. "Er" im Keller hat mit der Person, die er vorher war und nachher ist, nicht das geringste zu tun. Reemstma schildert seinen erzwungenen Aufenthalt, der eine absolute Extremsituation war, mit einer gedanklichen und sprachlichen Präzision, wie man sie in Büchern selten findet. Mit aller Kraft versucht er die immer wieder aufsteigende Panik in Schach zu halten. In seinem Leben als Wissenschaftler hat er sich theoretisch mit Traumen und den Folgen von Folter beschäftigt. Die erlebte Todesangst im Keller, das hilflose Ausgeliefertsein an Entführer, die er nicht einschätzen kann, ist etwas völlig anderes und mit nichts zu vergleichen. Sein Leben wird von anderen Menschen auf sein Geld reduziert: "It's just a business" -- nichts weiter. Es geht ihm nicht um Mitleid oder Lamentieren. Es geht darum, daß durch diesen Eingriff von außen der innerste Kern der Persönlichkeit eines Menschen angetastet wurde, und auf irreparable Weise verletzt bleibt. Auch als er viel später der Polizei dabei behilflich ist, den Keller, in dem er gefangengehalten wurde, zu identifizieren, stellt sich das erhoffte Erleichtertsein nicht ein. Der Keller ist aus seinem Leben nicht mehr wegzudenken -- nicht einmal mit der größtmöglichen Anstrengung. Reemtsma zieht ein niederschmetterndes Resümee: Das Gefühl, um das ich mich hier bemüht habe, ist kaum anders auf den Punkt zu bringen: Alles ist, wie es war, nur paßt es mit mir nicht mehr zusammen. Als trüge ich eine Brille, die alles einen halben Zentimeter nach links oder rechts verschiebt. Am Ende seiner Aufzeichnungen steht die verzweifelte Erkenntnis, daß alles was wichtig ist, in der Welt ist, "und ich bin eben nicht darin". --Manuela Haselberger Quelle:
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