Die spinnen, die Iren -- so dürften viele europäische Politiker und Bürger gedacht haben, als das kleine Inselvolk im Juni per Referendum gegen den Vertrag von Nizza stimmte. Ausgerechnet die Iren. Haben die seit 1973 nicht enorm viel Geld aus Brüssel erhalten? Verdanken die ihren Wirtschaftsboom nicht vor allem der EU? Nach viel Kopfgeschüttele einigte die europäische Politik sich schließlich: Der eigentliche Grund für das irische Abstimmungsdebakel liege darin, dass die Menschen die EU immer weniger durchschauen. Das ist wahrlich kein Wunder, meint auch der Hamburger Politikwissenschaftler Jürgen Hartmann -- und schlägt mit seiner Einführung zum Politischen System der Europäischen Union eine erhellende Schneise durch das Vertragsdickicht, den Institutionenwald und die komplizierten Verflechtungen der Entscheidungsprozesse der EU. Gedacht ist das Buch dabei vor allem für Studierende der Politikwissenschaft und alle, die ein minimales Vorwissen über die EU mitbringen. Gleich im ersten Kapitel geht es ans Eingemachte: Ist die EU nun eigentlich ein Staat? Oder gleicht sie eher einem "Regime", einer vertraglichen Vereinbarung zwischen souveränen Nationalstaaten? Gut verständlich zeigt Hartmann hier auf, worin sich die EU vom klassischen Staat unterscheidet und weshalb sie allenfalls im ökonomischen Bereich als "low state mit flacher Staatlichkeit" bezeichnet werden kann. Die folgenden vier Kapitel widmen sich den wichtigsten EU-Institutionen. Dabei beschränkt sich Hartmann nicht auf eine bloße Beschreibung der Zusammensetzung oder der Aufgaben von Rat, Europäischem Rat, Kommission, Parlament und Gerichtshof. Immer schaut der Autor auch hinter die Kulissen, analysiert die konkrete Funktionsweise der einzelnen Institutionen mit ihren Ausschüssen, Kabinetten und Verwaltungsapparaten. Einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Funktionslogik und der Eigenheiten der EU liefern schließlich auch die beiden Abschnitte über die europäischen Verbände und Lobbygruppen sowie die (nicht vorhandene) europäische Zivilgesellschaft. Insgesamt entsteht so ein breiter Überblick über Strukturen und Prozesse der EU, der zudem durch leicht nachvollziehbare Rückgriffe auf die politikwissenschaftliche Integrations- und Staatstheorie vertieft wird. Zahlreiche Schaubilder und Auszüge aus den aktualisierten EU-Vertragstexten runden das Bild ab. Ein unbedingt empfehlenswertes Buch also -- für alle, die sich gerade für das Uni-Seminar angemeldet haben, für alle, die ihre Tageszeitung besser verstehen wollen, und natürlich für alle, die gerne gut informiert sein wollen, bevor sie ihr Kreuz auf einem Stimmzettel platzieren. --Anneke Hudalla Quelle:
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