Es gibt Bücher, da muss man während der Lektüre alle paar Sekunden lachen, fühlt sich prächtig unterhalten -- und hat die Handlung doch nach kurzer Zeit völlig vergessen. Was kein Einwand sein muss, sondern vielmehr eine Art Genre beschreibt, das man in Anlehnung an das Kino als Popcorn-Literatur bezeichnen könnte: Temporeich erzählt und schnell konsumierbar, spekuliert diese Art von Unterhaltungs-Literatur von Anfang an auf ihre Verfilmbarkeit. Else Buschheuers Ruf! Mich! An! ist so ein Fall, oder auch Benjamin von Stuckrad-Barres Soloalbum. Mit scharfsinnigen Beobachtungen gespickt und hart am Zeitgeist segelnd, kreisen diese Romane gern um die existenziellen, aber irgendwie auch nichtigen Nöte notorischer Single-Existenzen. Tommy Jauds Vollidiot passt prima in die Reihe. Simon Peters, Verkäufer in einem T-Punkt-Laden, steht kurz vor seinem dreißigsten Geburtstag. Seit seine Freundin ihn verlassen hat, ist er etwas von der Rolle. Weder im Club-Urlaub noch im Kölner Tag-und-Nacht-Leben findet er sexuelle Erfüllung. Und bei Ikea sind nur Pärchen unterwegs. Als er sich endlich ein Herz fasst und die traumhafte Tresenkraft aus dem Starbucks gegenüber anspricht, fühlt er sich "wie ein Ossi beim ersten McDonalds-Besuch, drei Minuten nachdem die Mauer gefallen ist." Natürlich geht der Annäherungsversuch schief, denn Auge in Auge mit der Angebeteten bringt Simon kein Wort heraus: "ein Reh im Fernlicht eines Gurkenlasters." Zum Glück gibt es aber Paula. Die ist mit allen Beziehungswassern gewaschen und hat den perfekten Paula-Plan parat, mit dem Simon die Milchschaum-Fachkraft todsicher klarmacht. Dummerweise vermasselt Simon den Plan, weil er sich am Tag X aus seiner Wohnung aussperrt. Zum Glück hat seine kroatische Putzfrau Lala einen Ersatzschlüssel. Wie in den meisten Single-Romanen geht es auch bei Tommy Jaud darum, dass der egozentrische Held ein paar Sachen über sich kapiert: nämlich, dass er sich wie ein Trottel durch die Welt bewegt. Eine richtige Entwicklung macht er freilich nicht durch. Und wie Sven Regeners Herr Lehmann endet auch Vollidiot mit dem dreißigsten Geburtstag des Protagonisten. Nur dass bei Jaud am Schluss nicht die Berliner Mauer fällt, sondern der Ikea-Sessel Jennylund in Rauch und Asche aufgeht. Tommy Jaud, Comedy-Autor aus Köln, weiß, wie man Pointen setzt, mit Klischees spielt und den Leser bei Laune hält. Der Zwang zum Originellen ist vermutlich berufsbedingt. ("Dörte? Klingt wie ein widerlicher Bio-Brotaufstrich. So einer, den sich frustrierte Realschullehrer auf ihr Dinkel-Bananenbrot streichen, bevor sie in ihren asbestverseuchten Klassenzimmern verpickelte Teenager mit binomischen Formeln zu Tode langweilen.") Mögen die Lacher auch gekonnt vorprogrammiert sein, echtes Interesse bringt Jaud seinem Helden nicht entgegen. Und so ergeht es auch dem Leser. Er lacht und geht zur Tagesordnung über. --Axel Henrici Quelle:
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