30 mutige, offene und schonungslose Briefe, die das Leben und den Wandel eines transidenten Menschens in Deutschland zwischen 1958 und 2000 beschreiben. 30 fiktive Briefe, die Michaela Lindner nie abgeschickt hat. Aber Briefe an Menschen, die es wirklich gibt. Michaela Lindner hat keine Namen oder Orte verändert. Die 30 Briefe werden so zu einer Art "Tagesbuch", allerdings in Jahres- und Monatsschritten. Sie sind Dokumentation eines Lebens, Psychogramm eines Menschen und Anklage an unsere Gesellschaft. Aber auch Ansporn, sich selbst zu verwirklichen und seinen Traum zu leben! Michaela Lindner beschreibt die tiefen Schmerzen, die Selbstmordgedanken, die Verzweiflung, aber auch -- und dies mit wirklich zu Herzen gehender Hingabe, Schreibfreudigkeit und Begeisterung -- die Liebe, Zuneigung und Unterstützung, die sie erfahren hat, als sie ihren Wechsel vom Mann zur Frau begann. Und Michaela Lindner tut dies in aller Öffentlichkeit. In ihrem ersten Leben als Mann war sie Bürgermeister in Quellendorf. Mitten im Leben, in Politik und Öffentlichkeit. Und fast als Geschenk an sich selbst, zum 40. Geburtstag, durchlebt, durchleidet und durchkämpft Lindner die Wiedergeburt als Frau: ein neuer Körper, eine neue Geschlechterrolle, eine neue Liebe. Das Buch Michaela Lindners ist kein "Coming out"-Roman. Freilich, die Probleme, die jeder schwule Mann kennt, wenn er sich zum ersten Mal bei Familien und Freunden zu seinem Schwulsein und "Anderssein" bekennt, hat Frau Lindner in ähnlicher Weise erfahren: Sie führt überzeugend vor, dass es immer weiter geht, auch dann, wenn die eigene Ehrlichkeit dazu führt, von einer Gemeinde verstoßen, von deutschen Spießbürgern verunglimpft, von den eigenen Eltern nicht akzeptiert und von Behörden schikaniert zu werden. Lindner durchlebt dies in Extremform: arbeitslos, wohnungslos, Rauswurf aus der Krankenkasse. Perspektivlosigkeit, dann Selbsthilfegruppen, Psychotherapie und der langsame Kampf mit sich selbst, dann die Gewissheit: ich wage die Operation, die mich endgültig zur Frau macht! Michaela Lindners Buch ist mehr als eine reine Autobiografie. Es ist ein Teil deutsch-deutscher Geschichte, die mehr zeigt als Geschichtsbücher und Fernsehfilme: Aufwachsen in der DDR, Wende, wirtschaftlicher Überlebenskampf, Leben zwischen Vision und dörflicher Enge. Und in all dieser Zeit meistert Michaela Lindner ihren Schritt zur Frau. Was stört, sind die bisweilen etwas übertrieben kitschig wirkenden Passagen mit Udo Jürgens-Liedern und der häufige Verweis auf La cage aux folles. Aber trotzdem: Kompliment an Michaela Lindner für soviel Mut und Offenheit! Absolut lesenswert! Und wer selbst als transidenter oder transsexueller Mensch Hoffnung sucht und Mut schöpfen will, das Buch von Michaela Lindner ist besser als manche Therapie. --Martin Kilgus Quelle:
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