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Ãœber die Freundschaft

Ãœber die Freundschaft
Autor: Jacques Derrida
Verlag: Suhrkamp
Gebundene Ausgabe
Auflage: 3
Seiten: 90
ISBN-10: 3-518-22331-3
ISBN-13: 978-3-518-22331-4
ISBN: 3518223313
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Das Bedürfnis nach Abgrenzung gegenüber der Dekonstruktion ist in der philosophischen Zunft hierzulande immer noch groß. Dabei mag es auch en vogue sein, Autoren wie Derrida den unpolitischen oder tendenziell reaktionären Charakter ihres Denkens vorzuwerfen. Derridas Philosophie hat indessen in den letzten Jahren eine neue Färbung angenommen. Angesichts einschlägiger Beiträge zu Rechtsstaatlichkeit sowie zur demokratischen Zukunft Europas, wird man Derrida nicht länger politische Indifferenz oder elitäre Ignoranz im Stile Heideggers vorwerfen können. Dies beweist auch das erst vor wenigen Monaten in deutscher Sprache erschienene Buch Politik der Freundschaft, dessen siebtes Kapitel der Suhrkamp Verlag nun als Sonderdruck gemeinsam mit Montaignes Essay Über die Freundschaft herausgegeben hat.

"O meine Freunde, Freunde gibt es nicht." Dieser wundersame Satz, dessen Ursprung sich nicht mehr rekonstruieren lässt und der noch von Montaigne als Aristoteles-Zitat ausgegeben wurde, bildet das Glied einer langen Zitatenkette. Für Jacques Derrida ist er Anlaß, an eine vernachlässigte Lesart zu erinnern, die aus der vokativen Anrufung ein Dativpronomen werden läßt: "Der, dem Freunde gegeben sind, dem ist kein Freund gegeben." Damit verschiebt sich der Akzent der Aussage: Die nahe liegende Deutung, nach der es keinen wahren Freund gibt, drängt sich nicht mehr unmittelbar auf. Vielmehr rücken die Zahlenverhältnisse in den Blick: Kann, wer mehrere Freunde hat, tatsächlich einen Freund haben? Es würde den Einsichten dekonstruktivistischer Lektürepraxis widersprechen, entschiede sich Derrida schlicht für die eine oder andere Lesart. Gälte es nicht vielmehr die Logik schlichter Entgegensetzungen, und sei es die besonders schillernde, von Carl Schmitt ins Spiel gebrachte zwischen "Freund" und "Feind" aufzubrechen?

Derridas verschlungene Interpretation legt solche Fragen nahe. Vor allem aber eröffnet sie die Perspektive auf eine, von der kanonischen Freundschaftskonzeption ausgegrenzte Vorstellung, nämlich eine Freundschaft jenseits der rein männlichen Schwurgemeinschaft. Eine Politik jenseits des Brüderlichkeitsprinzips: Das ist Derridas politische Hoffnung, die seine einmal mehr die Ketten der Tradition aufsprengende Lektüre unterschwellig leitet.

--Jens Kertscher
Quelle:




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