"Wage zu denken, sapere aude", schreibt Fromm, beruft sich auf Kant und ist dabei aktueller denn je. Es gelte, "den großen Schwindel" zu durchschauen, der die Reklame wichtiger macht als das Produkt. Man müsse verstehen lernen, dass sich hinter "mancher Berühmtheit ein mittelmäßiger, dafür aber narzisstischer, aggressiver, angetrunkener oder obszöner Schlagzeilenlieferant" verbirgt. Gleiches gelte für den Massenmarkt des Seelenheils, auf dem Selbsterfahrung und Selbstverwirklichung zum Discountpreis angeboten werden und das eigentliche Original kaum mehr auszumachen sei. Ist ein Schalk, wer Arges denkt und an der Lauterkeit der Kriegspolitik der Bush-Administration zweifelt? Naiv und leicht täuschbar zu sein, "ist unverantwortlich, besonders heute, wo Lügen zu einer Katastrophe führen können, weil sie für echte Gefahren wie auch für reale Möglichkeiten blind machen", schrieb Fromm vor mehr als 30 Jahren. Und weiter: "Häufig bieten sich jene, die den Menschen ausbeuten, als Vaterfiguren an und werden auch als solche gerne angenommen. Man zieht es vor, Menschen zu gehorchen, die es angeblich gut meinen, als sich selbst einzugestehen, dass man aus Angst und Ohnmacht gehorcht." "Schlechte oder triviale Gesellschaft" solle man daher meiden und sich von dem Irrtum verabschieden, es gebe ein "Leben ohne Anstrengung und Leiden" genauso wenig, wie es ein Ideal gebe, spontanen Impulsen immer und überall zu folgen und dadurch glücklich zu werden. Konzentration, wach sein, Meditation, Gewahrwerden und Psychoanalyse sind die Mittel gegen die Illusion. Und schöpferisches Maßhalten. Dinge, die kein Mittel für größere Lebendigkeit und Produktivität sind, sondern nur dem "passiv-rezeptiven" Konsum dienen, brauchten wir nicht. "Ich bin, was ich bin" oder Vom Haben zum Sein: Also geht der steinige Weg tieferer Selbsterkenntnis. Auch hier gelte es, wachsam zu sein und übergroße Intellektualisierung, Narzissmus und Besitzstrukturen mit Hilfe der großen Denker der Menschheit zu überwinden. Denn, und hier zitiert Fromm Meister Eckhart: "Wie kann einer überhaupt leben, ohne in der Kunst des Lebens und Sterbens unterrichtet worden zu sein?" "Fromm und gut oder gierig und schlecht": Unter dieser Überschrift könnte das Buch auch stehen. Sie wäre allerdings mehr zynisch als richtig und sagte mehr aus über den in seine Zeit verstrickten und skeptischen Rezensenten als über das Buch, das für manchen modernen Leser etwas unbequem daherkommt. Statt die Freiheit klar und programmatisch geschlossen in der politischen Freiheit von etwas zu suchen, in der Freiheit von Feudalismus, Kapitalismus, Imperialismus etc., gilt bei Fromm der religiöse Satz "Der Mensch kann frei sein, selbst wenn er in Ketten liegt" in einer besonderen Art und Weise. Über das Mittel der Massensuggestion liegt der Mensch nun an den Ketten unsichtbarer Zwänge. Wie er sich aus eigener Kraft befreien kann, dazu gibt Fromm zahlreiche Empfehlungen. --Dr. Stefan Rusche Quelle:
|