Am Anfang standen mit Keilschrift versehene Tontafeln aus babylonischen Sammlungen von Herrschern (z.B. dem Assyrerkönig Assurbanipal) und Privatleuten (Schreiber, Kaufleute), die zunächst nur der täglichen Verwaltung und dem Geschäftsleben, dann aber auch rasch der Fixierung von Hymnen, Gebeten und Literatur aller Art dienten. Schon bald packte insbesondere die Herrscher eine wahre Sammelleidenschaft, für deren Befriedigung sie zu Konfiskationen griffen und für deren Pflege sie die ersten Bibliothekare der Geschichte engagierten, die auch die ersten Kataloge erstellten. Die eigentlichen Vorläufer der heutigen Bibliotheken (griech. theke = Aufbewahrungsort) sind jedoch in Griechenland zu suchen, wo sich über die orale Tradition, Namensabstimmungen auf Tontafeln (Ostraka) und umfangreiche Dichtung (Homer) sowie die Niederschrift von Prosatexten (Thukydides) nicht nur private Sammlungen, sondern auch ein regelrechter Buchhandel entfaltete. Einen Meilenstein in der Geschichte der Bibliotheken des gesamten Altertums bildet, auf dem Vorbild der Sammlung des Aristoteles beruhend, die Bibliothek von Alexandria. Die Herrscher des Ptolemäerreiches professionalisierten die Beschaffung (Ankauf, Kopisten) von Schriften und deren Verwaltung, für die sie herausragende wissenschaftliche Persönlichkeiten aus dem ganzen antiken Raum gewinnen konnten. Von hier aus nahm auch die Verwendung des Papyrus bzw. der Papyrusrolle ihren Ausgang -- ein Schreibmaterial, das bis in die Spätantike am gebräuchlichsten war, bis es von dem komfortabeleren und haltbareren Pergament in Form von Kodizes abgelöst wurde. Die nächste Station in der Weiterentwicklung der Bibliotheken war Rom (mit Provinzen) -- und auch hier führte der Weg über herrscherliche und private Sammlungen schließlich zu den Ursprüngen unserer öffentlichen Präsenz- und Ausleihbibliotheken, zweisprachig (Griechisch, Latein), prachtvoll ausgestaltet, mit zentralem Lesebereich und perfektioniertem Katalogsystem. Bereits während des Römischen Reiches zeichnete sich eine Tendenz ab, die für das Mittelalter bestimmend werden sollte. Während im östlichen Teil (dann byzantinisches Reich) Lesen und Schreiben Allgemeingut war, konzentrierte sich nach den Stürmen der Völkerwanderung im Westen Schriftlichkeit auf Klöster und Klerus. Dies alles und noch viel mehr Informationen bietet Bibliotheken in der Antike. Lionel Chasson ist ein kleines aber feines Buch mit einer lehrreichen und zugleich unterhaltsamen Darstellung gelungen, dessen Lektüre einfach Freude macht. Angefüllt mit kritisch kommentierten und erstaunlichen Anekdoten und konzentriert auf die wesentlichen Entwicklungslinien ist es ein Leichtes, die antiken Großbibliotheken und ihren regen Betrieb vor dem inneren Auge erstehen zu sehen. Wünschenswert wären eine Bibliografie sowie genauere Anmerkungen für den an vertiefenden Kenntnissen interessierten Leser gewesen. Doch ist dies nur eine geringfügige Mäkelei und allen Leseratten, Bibliomanen und Wissbegierigen, die mehr über die Entstehung und Geschichte von Büchern und ihren Tempeln erfahren möchten, kann dieses Bändchen empfohlen werden. --Osseline Kind Quelle:
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