Die Geschichte dieses Buchs ist ein Lehrstück angewandter Medientheorie: 1996 hält Pierre Bourdieu, einer der renommiertesten Soziologen Frankreichs, vor Studenten am Collège de France zwei Vorträge über das Fernsehen. Er kritisiert, daß das Medium immer mehr zur reinen Unterhaltungsmaschinerie wird. Er weist auf verborgene institutionelle Zwänge des TV-Journalismus hin. Er warnt vor der blinden Anbetung der Einschaltquoten. Keine seiner Thesen ist besonders aufsehenerregend. Keines seiner Argumente ist völlig neu. Und doch gelingt es ihm, die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit zu gewinnen. Bourdieus Vorträge werden nämlich ihrerseits in dem von ihm kritisierten Medium Fernsehen ausgestrahlt; und da er mit seiner Kritik nicht nur im allgemeinen bleibt, sondern ein paar bekannte Namen nennt, gerät, was ansonsten wohl ein akademisches Glasperlenspiel geblieben wäre, zu einer erbittert geführten, öffentlichen Debatte mit Leitartikeln, Leserbriefen, Darstellungen und Gegendarstellungen. Die Vortragstexte, in Buchform veröffentlicht, sind monatelang in den Bestsellerlisten zu finden. Daß das Buch und sein Thema die Öffentlichkeit also letztlich über eine Medienposse erreichten, bestätigt gerade damit einige von Bourdieus Thesen. Über das Fernsehen ist ein angenehm knapp, präzise und pointiert formulierter Einführungskurs in aktuelle Fragestellungen der Medientheorie. Es richtet sich ausdrücklich nicht an Spezialisten, sondern an ein breites Publikum, dem es die problematischsten Entwicklungen und strukturellen Probleme des Fernsehens (und nebenbei auch der Presse) kompetent und überzeugend vorstellt. Obwohl es sich ausdrücklich auf die französische Medienlandschaft bezieht, lassen sich die Argumente und Beispiele im allgemeinen ohne weiteres auch auf deutsche Verhältnisse übertragen. Das kurze, kommentierte Personenregister ist da eine sinnvolle Orientierungshilfe. Für die Buchfassung sind den Vortragstexten einige kurze Artikel Bourdieus zum gleichen Thema beigefügt, darunter auch ein Postskriptum zur aufgeregten Debatte um die Vorträge, in dem er zu den Angriffen gegen ihn Stellung nimmt und einzelne seiner Kritikpunkte noch einmal genauer erläutert. --Christian Demand Quelle:
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