Mahnmal und kein Ende Seit mehreren Jahren wird über das Holocaust-Mahnmal -- nach offizieller Redensart "Mahnmal der Ermordung der europäischen Juden" -- leidenschaftlich debattiert. Die Fronten verlaufen quer durch alle Lager: keine Partei, keine Bevölkerungsgruppe in diesem Land, die nicht Befürworter und Gegner dieses Projektes vorzuweisen hätte. Einige Vorschläge -- die überdimensionierte Grabplatte, z.B. -- sind längst vom Tisch, während andere wie das ebenfalls zu groß geratene Stelzenfeld noch zur Debatte stehen. Kann es sein, daß die Debatte selbst das beste Mahnmal überhaupt ist? In diesem neuen Band von Michael Cullen, amerikanischer Bauhistoriker und einer der Väter der Idee der Reichstagverpackung, kommen die Leute zu Wort, die von Anfang an mitgearbeitet haben an diesem Mahnmal als Debatte bzw. dieser Debatte als Mahnmal. Es ist sehr passend, daß das Buch mit einem Vorwort von Wolfgang Thierse beginnt, denn letztendlich muß die Politik, genauer der Deutsche Bundestag, entscheiden. Höchstwahrscheinlich wird der Kulturbeauftragte des Bundeskanzlers in der kleinen Runde seines New Yorker Dunstkreises nämlich nicht still und leise einen Kompromißvorschlag durchsetzen können. Der klügste Beobachter des Phänomens "Mahnmal-Debatte", der Essayist Henryk Broder, kommt in diesem Band gleich zweimal zu Wort, nämlich mit seinem berühmten, wegweisenden Spiegel-Essay und mit einem offenen Brief an den Berliner Kultursenator im Tagesspiegel. Darin nimmt Broder wahrlich kein Blatt vor den Mund: Außer der Tatsache, daß auf der Werteskala der unwiederbringlichen Verluste jüdische Nobelpreisträger höher rangieren als rumänische Zigeunergeiger, gibt es keinen Grund, die Opfer der Nazis neu zu selektieren und zu hierarchisieren. Und lassen Sie sich nicht täuschen: daß einige jüdische Honoratioren eitel und kurzsichtig genug sind, an ihrer eigenen Sonderbehandlung mitzuwirken, macht die Sache nicht besser, sondern noch schlimmer. Das Schöne an diesem Sammelband ist, daß diejenigen, die Broder (wahlweise) für geschmacklos oder verrückt halten oder gar als antisemitischen Juden beschimpfen, hier eben auch viele andere Meinungen zu lesen bekommen, von Salomon Korn über Heinrich August Winkler bis hin zu Walter Jens. Denn gerade bei dieser Debatte ist es ungemein wichtig, daß die ganze Bandbreite -- nun ja, zumindest die gesamte zivilisierte Bandbreite -- der Meinungen in diesem Land zu Wort kommt. Quelle:
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