Hermann Görings protzig-barocker Lebensstil war legendär. Der "Reichsmarschall" unterhielt neben zahlreichen Residenzen, auch einen luxuriösen Sonderzug, eine Jacht und eine Kunstsammlung im Wert von mehreren hundert Millionen Reichsmark. Und er war beileibe kein Einzelfall. In München ließ sich der SS-Brigadeführer Christian Weber ein nach ihm benanntes Festprogramm mit 10 Millionen RM sponsern. Im "Gangster-Gau" Galizien herrschte der wegen seiner Prunksucht berüchtigte Generalgouverneur Hans Frank, und auch die eher bescheiden-idealistisch auftretenden Würdenträger des "Drittes Reichs", wie Josef Goebbels und Albert Speer, erlangten ein beträchtliches Privatvermögen. Frank Bajohrs Studie beweist: Korruption war im "Führerstaat" nicht die Ausnahme, sie war die Regel. Als ein unverzichtbares "Schmiermittel" für die politischen Klientelstrukturen wurde sie vom NS-Regime teils toleriert, teils institutionalisiert, und nur in Ausnahmefällen strafrechtlich geahndet. Nutznießer waren nicht nur die herrschenden Eliten. Viele Parteimitglieder, besonders die "Alten Kämpfer", wurden nach der "Machtergreifung" mit Posten und finanziellen Zuwendungen für ihre Loyalität belohnt. Andere belohnten sich selbst. Allein von 1934 bis 1941 strengte der NSDAP-Reichsschatzmeister wegen derartiger Vergehen 10.887 Strafverfahren an. Und dies war nur die Spitze des Eisberges. Wie Bajohr zeigt, verkam die politische Korruption mit der "Arisierung" jüdischen Eigentums, dem Holocaust und der Ausplünderung der besetzten Gebiete zu einer Massenerscheinung, die sich funktional reibungslos in den Völkermord einfügte. Nicht bloß die Täter, auch viele einfache "Volksgenossen" bereicherten sich am Besitz deportierter und ermordeter Juden und profitierten so von der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Korruption war damit im "Dritten Reich" kein "isoliertes Randphänomen" mehr, sie war eine "soziale Praxis", die "ganz normale Deutsche" in vielfältige Weise mit den Verbrechen des Regimes verstrickte. --Stephan Fingerle Quelle:
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