Noch einen anatomischen Atlas? Braucht es den wirklich? Das ist man geneigt zu denken, wenn man den zweiten Band der insgesamt drei BĂ€nde das erste Mal zur Hand nimmt. Doch schnell stöĂt man auf angenehme Ăberraschungen und muss zugeben: Ja, man kann ihn brauchen. Denn dieser Atlas beschrĂ€nkt sich nicht auf die 1:1-Wiedergabe eines PrĂ€parates samt 08/15-Beschriftung. Hier wird vielmehr zuerst ein Lernthema formuliert. Im nĂ€chsten Schritt folgen die Bilder -- komplett neu konzipiert und erstellt. Allein das dauerte acht Jahre und verleiht dem Buch eine in dieser Preislage unerreichte kompositorische Klasse. Positiv zu erwĂ€hnen ist auch, dass die durch und durch didaktische Konzeption keineswegs schwerfĂ€llig und belehrend daherkommt. Die QualitĂ€t zeigt sich zuallererst in der Brillanz der Zeichnungen, die hĂ€ufig genug fĂŒr sich sprechen. Begleitet werden sie dennoch von einem gut lesbaren Text, klar und einfach gehalten. Text und Bild sind in einer Weise aufeinander abgestimmt, wie es sich nur selten findet. Der Text erklĂ€rt, ohne zu belehren, und stellt BezĂŒge zu anderen FĂ€cher einerseits und zur Klinik andererseits her. Alle Beschreibungen befinden sich am richtigen Ort: Lagevarianten einzelner Strukturen samt ihrer prozentualen Verteilung, Schnittbildanatomie, feine klinische Hinweise von bemerkenswerter BeilĂ€ufigkeit, Skizzen chirurgischer Hautschnitte an der ventralen Abdominalwand, von Zeit zu Zeit zusammenfassende Tabellen, direkte Beschriftung auch kleinerer Strukturen am Ăberblicksbild, nervale Projektionen innerer Organe auf Bauch und RĂŒcken -- Bild, ErklĂ€rung und Klinik werden unangestrengt und ohne aufdringliche Hinweise zu einer Einheit. Zum Schluss finden sich noch einmal besonders schöne Bildtafeln mit der vereinfachten Versorgung der Organe durch Lymphe, Arterien, Venen und Nerven. Sie mĂŒssen in der PrĂŒfung bis in die kleinste VerĂ€stelung hinein beherrscht werden. Was aber in anderen Atlanten ein Wust von gelb, rot, blau und orange gekennzeichneten Leitungsbahnen und deren Benennung ist, ist hier so elegant gelöst, dass man sich die Bilder nicht nur aus GrĂŒnden der Lerneffizienz an die Wand hĂ€ngen möchte. Die Autoren wollten den "idealen" Anatomie-Atlas fĂŒr Studenten erschaffen. Das ist ihnen nicht nur inhaltlich gelungen. Auch der erschwingliche Preis ĂŒberrascht positiv. --Dr. Stefan Rusche Quelle:
|