Komm, ich erzähl dir eine Geschichte ist ein Buch aus Büchern. Griechische Sagen spielen darin eine Rolle, Sufi-Gleichnisse, japanische Parabeln, Lehren des Zen-Buddhismus, Geschichten aus Tibet, Argentinien, Frankreich, Russland oder Afrika, genauso wie bei Paolo Coelho, nur viel dichter. Die Geschichten sind eine Art sanfte Therapie, die der etwas füllige Psychotherapeut Jorge nutzt, um schwierige Dinge für seine Patienten ganz leicht verständlich zu machen, bei einer schönen Tasse Tee, in seinem Reich. Einer dieser Patienten ist Demian, der alles schwarz und schwierig sieht. Der kommt öfters zu Jorges Teestunden vorbei, und hört sich die nacherzählten -- oder schnell selbst erfundenen -- Geschichten gerne an. Und -- natürlich: Es funktioniert! Bei Demian, und beim Leser glücklicherweise auch. Der 55-jährige argentinische Autor Jorge Bucay hat eine Botschaft, die ebenso einfach wie tröstlich ist -- so einfach und tröstlich, wie es sich für einen klugen Psychiater und Gestalttherapeuten, der Bucay im richtigen Leben ebenfalls ist, vielleicht gehört: “Jeder Mensch kann auch Lehrer sein”, heißt diese Botschaft, “ein kleiner Meister, der Auslöser einer Kettenreaktion, die die Welt verändern kann.“ Auch wenn man sich eine Welt voller Lehrer irgendwie gar nicht wünschen will und sich die dadurch ausgelöste Kettenreaktion an Veränderungen in den düstersten Farben ausmalen mag, so will man sich von Bucay trotzdem seine schöne Geschichte erzählen lassen. Denn die kommt irgendwie trotz ihrer Botschaft erfrischend unterhaltsam und unaufdringlich lebensklug -- eben ohne den erhobenen Zeigefinger des Oberlehrers -- daher. Vielleicht sollte sich Paolo Coelho von Bucays lebensweiser Erzählkunst einmal eine Scheibe abschneiden. --Stefan Kellerer Quelle:
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