Die beiden Ameisen haben wirklich schwer zu schleppen. Das Männchen müht sich mit einer Kiste und einem Koffer ab, auf der zu allem Überfluss auch noch eine Hutschachtel thront, die Ameisendame trägt immerhin vier kleinere Taschen, die sie fast zum Boden drücken. So interpretiert die verdienstvolle Illustratorin Tatjana Hauptmann auf der Titelseite von Das große Ringelnatz-Buch das Gedicht „Die Ameisen“ -- um dann im Buch selbst noch deutlicher zu werden. Zwar ist die Last hier deutlich geringer geworden, die Ameisen allerdings sehen schon überaus missmutig aus. Kein Wunder, denn den Tieren, die von Hamburg aus ins ferne Australien reisen wollten, haben schon nach kürzester Strecke mit ihren Zipperlein zu kämpfen: „Bei Altona auf der Chaussee / Da taten ihnen die Beine weh“, heißt es bekanntlich bei Joachim Ringelnatz. „Und da verzichteten sie weise / Denn auf den Rest der Reise“. „Die Ameisen“, „Bumerang“ oder „Ich habe dich so lieb“ -- von Klassikern wie diesen wimmelt es nur so im Großen Ringelnatz-Buch. Aber es gibt auch allerlei Unbekanntes -- und zwar völlig zu Unrecht Unbekanntes! -- zu entdecken, darunter die wundervollen Märchen des Seemanns, Kabarettisten und Dichters, die auf ebenso skurril-humorvolle wie raffinierte Weise die Strickmuster der Gattung unterwandern. Die größte Entdeckung aber sind sicher die (überwiegend schwarzweißen) Zeichnungen Hauptmanns, die in gewohnt routinierter, aber diesmal ganz besonders kongenialer Art und Weise die Eigenheiten der Ringelnatz’schen Texte herausarbeiten und ihnen beizeiten sogar eine neue Nuance verleihen. So ist Das große Ringelnatz-Buch ein Muss für alle Ringelnatz- und Hauptmann-Fans gleichermaßen. Aber eigentlich ist es ein Muss für alle, die schöne Bücher, humorvoll-verrückte Literatur und gute Bilder lieben. --Thomas Köster Quelle:
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