"Weißt du, welchen Fehler man immer wieder macht? Den, zu glauben, das Leben sei unwandelbar, und wenn man einmal einen Weg eingeschlagen habe, müsse man ihn auch bis zu Ende gehen. Das Schicksal hat viel mehr Phantasie als wir. Gerade wenn du glaubst, du befändest dich in einer ausweglosen Situation, wenn du den Gipfel höchster Verzweiflung erreichst, verändert sich mit der Geschwindigkeit eines Windstoßes alles, dreht sich und plötzlich lebst du unvermutet ein neues Leben." Dieses Brieftagebuch hat eine Stimmung wie ein milder Herbsttag im Oktober, an dem man, die Jacke über die Lehne geworfen, auf einer Parkbank sitzt und die letzten warmen Sonnenstrahlen genießend, Erinnerungen an den vergangenen Sommer nachhängt. Den Lebensabend einsam in ihrem kleinen Häuschen verbringend, beschließt Olga ein Tagebuch an ihre Enkelin zu führen, die sie damals zu sich nahm, als ihre Mutter frühzeitig starb. Anfangs fühlten sie sich eng miteinander verbunden, doch mit der Zeit entfernten sie sich mehr und mehr voneinander, bis ihre Enkelin beschließt, sich aus den schwierigen Familienverhältnissen zu befreien und nach Amerika zu gehen. Sie vereinbaren, daß sie sich nicht schreiben werden. Olga schmerzt dieser Abschied sehr, und sie schreibt Briefe, die sie nicht abschickt, in der Hoffnung, daß ihre Enkelin sie liest, wenn sie zurückkehrt und Olga vielleicht nicht mehr lebt. Es gibt zu viele unausgesprochene Dinge, die ihr auf der Seele brennen und die sie ihr noch sagen will. "Die Toten belasten uns nicht so sehr durch ihre Abwesenheit als vielmehr durch das, was -- zwischen uns und ihnen -- nicht ausgesprochen wurde." So legt die alte Frau Zeugnis ab über ihr Leben, ihre innersten Gedanken und Gefühle, gesteht die tiefe und innige Liebe zu ihrer Enkelin und deckt nach und nach die Geheimnisse der Familie auf. Sie hilft sich mit dem Schreiben über die Trennung und ihr Alleinsein hinweg und schließt im Angesicht des Todes Frieden mit ihrem eigenen Leben. Ihre Briefe sind voller tiefer Einsichten und der Weisheit des Alters, die ein wirklich gelebtes Leben finden läßt. Sie spricht zu ihrer Enkelin mit großer Nachsicht und Verständnis für ihre jugendliche Unausgeglichenheit, ihre Kühle, und daß sie sich von ihr abgewandt hat und schlägt damit eine Brücke zwischen den Generationen. Eigentlich möchte sie mit all ihren Worten nur sagen, daß man auf nichts anderes, als seine tiefe, innere Stimme hören sollte, um das richtige auszuwählen. Und wenn sich dann viele verschiedene Wege vor dir auftun werden und du nicht weißt, welchen du einschlagen sollst, dann überlasse es nicht dem Zufall, sondern setz dich, und warte. Atme so tief und vertrauensvoll, wie du an dem Tag geatmet hast, als du auf die Welt kamst, lass dich von nichts ablenken, warte, warte noch. Lausche still und schweigend auf dein Herz. Wenn es dann zu dir spricht, steh auf, und geh, wohin es dich trägt. Ein feinfühliges Buch, sanft und weise. Nach Umberto Ecos Der Name der Rose ist Geh, wohin dein Herz dich trägt der erfolgreichste Roman in Italien. --Daphne Großmann Quelle:
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