Schulgeschichten -- wer denkt da nicht sofort an den Schöler Pfeiffer aus der Feuerzangenbowle, oder an Hansi Kraus mit seinem unbeschwerten Leben im Internat, zwischen Schlagermusik und schönen MĂ€dchen. Alfred Andersch sicherlich nicht. In der autobiographischen ErzĂ€hlung Der Vater eines Mörders erlebt der junge Andersch eine schicksalhafte Schulstunde. Sein Schuldirektor, Vater des ReichsfĂŒhrers der SS Heinrich Himmler, nach Andersch der âgröĂte Vernichter menschlichen Lebens", inspiziert ĂŒberraschend den Griechischunterricht. Im Laufe dieser Schulstunde gerĂ€t auch Andersch in das Kreuzfeuer des alten Himmlers. Vor der gesamten Klasse werden nicht nur seine kaum vorhandenen Kenntnisse der griechischen Grammatik bis ins kleinste seziert und als der Schule unwĂŒrdig empfunden. Der auf seine humanistische Bildung stolze Rektor lĂ€Ăt es sich auch nicht nehmen, ihn als kleinbĂŒrgerlichen, faulen Versager zu diffamieren. Das Ende der Schulstunde ist auch gleichzeitig das Ende der schulischen Laufbahn von Alfred Andersch, der Schule verwiesen vom Vater eines Mörders. âWie will einer denn Schriftsteller werden, wenn er sich nicht fĂŒr die Grammatik interessiert?", kommentiert der Rektor Anderschs Berufswunsch. Dessen Gesamtwerk beantwortet diese Frage auf eindrucksvolle Weise. DaĂ es ihm in seinen autobiographischen ErzĂ€hlungen nicht nur um seine Person geht, sondern vielmehr um die herrschenden politischen und zeitgeschichtlichen Ereignisse, ist besonders eindringlich in diesem letzten ProsastĂŒck spĂŒrbar. Andersch sah das Schreiben immer als gesellschaftliches Engagement und so ist seine letzte ErzĂ€hlung, die er todkrank zwischen Dialyse und Schreibtisch vollendete, ein historisches Dokument ĂŒber die Stimmung in Deutschland kurz vor der MachtĂŒbernahme der Nationalsozialisten. Posthum hat uns Alfred Andersch mit Der Vater eines Mörders eine atmosphĂ€risch dichte, bewegende und beklemmende ErzĂ€hlung hinterlassen, die mit ihrer Darstellung von AutoritĂ€t, Macht und Bestrafung zutiefst deutsch ist. Wer seine eigene Schullaufbahn Ă€hnlich abrupt wie Andersch beenden muĂte und deshalb nicht in den GenuĂ dieses Meisterwerkes kam, dem sei es hier, zusammen mit der erfreulich guten Verfilmung mit Hans Korte als Schulrektor, wĂ€rmstens empfohlen. --Andreas Kerschner Quelle:
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