Maigret und der gelbe Hund gehört zu jenem ersten halben Dutzend offizieller Maigret-Romane, die den Kommissar -- und seinen Autor -- Anfang der 30er-Jahre auf einen Schlag berühmt machten. Zuvor war er bereits als schattenhaft erkennbare Figur in einer Hand voll Heftromane aufgetaucht. Nun steht er in seiner ganzen beeindruckenden Größe vor dem Leser: spöttisch, misstrauisch und grenzenlos neugierig. In dem kleinen Küstenstädtchen Concarneau kommt es zu einer Folge mysteriöser Verbrechen, die sich alle gegen eine Gruppe von Honoratioren zu richten scheinen. Erst wird nachts in einer dunklen Gasse ein Mann angeschossen, dann verschwindet ein weiterer spurlos, und auf die Verbliebenen wird ein Giftanschlag verübt. Maigret ist inzwischen längst vor Ort, treibt mit seiner offenbaren Untätigkeit den zuständigen Inspektor jedoch fast in den Wahnsinn. In aller Gemütsruhe verbringt der Kommissar seine Zeit in der Schankstube des Hôtel de L'Amiral und beobachtet das Treiben der Einheimischen. Allmählich beginnt er, die Machtverhältnisse in Concarneau zu durchschauen. Und als er den Schuldigen dingfest macht, ist er der Einzige, der nicht aus allen Wolken fällt. Bereits in diesem frühen Maigret-Roman wird deutlich, worauf es Simenon ankommt: Er zeigt den Unterschied auf, der zwischen der öffentlichen Wahrnehmung eines Verbrechens und den tatsächlichen Ereignissen besteht. Die angesehenen Bürger der Stadt nutzen ihre Position, um das Urteil der Presse und der einfachen Fischer zu beeinflussen -- nicht immer mit böser Absicht, aber doch meist mit bösem Ausgang. Maigret dagenen lässt sich den Blick nicht trüben und dringt nach langem, geduldigen Ausharren zur Wahrheit vor. Schärfer als in Maigret und der gelbe Hund könnte auch heute kein Krimiautor seine Sozialkritik formulieren. Allerdings verzichtet Simenon auf direkte Bezichtigungen, wie sein Kommissar beschreibt er nur und lässt das Geschilderte wirken. Und das ist auch nach Jahrezehnten noch immer äußerst beeindruckend! --Hannes Riffel Quelle:
|