Neben ihrem umfangreichen Romanwerk hat Patricia Highsmith immerhin neun Erzählungsbände veröffentlicht -- Die stille Mitte der Welt und Die Augen der Mrs. Blynn mit Storys aus dem Nachlass eingerechnet. Wie viele angloamerikanische Autoren ihrer Generation hat sie ihr Talent in der kurzen Form geübt, bevor sie sich an ihren ersten Roman heranwagte. Und auch später kehrte sie immer wieder zu ihr zurück, um sich von der Arbeit an längeren Texten zu erholen und Ideen Gestalt zu verleihen, die sich am besten auf wenigen Seiten entfalten ließen. Mit dem vorliegenden Band erschienen 1970 erstmals Highsmith-Erzählungen in Buchform. Davor waren sie ausschließlich in Zeitschriften veröffentlicht worden, größtenteils in dem kommerziell orientierten Ellery Queen's Mystery Magazine. Entsprechend handelt es sich meist um Suspense-Storys, die auf eine einzige Pointe zusteuern. Der psychologische Spürsinn der Autorin, ihre hoch entwickelte Beobachtungsgabe und ihr lakonischer Stil heben sie jedoch weit über das hinaus, was damals wie heute in diesem Genre produziert wird. Und der Vergleich mit Krimi- und Horror-Autoren der Nachkriegszeit macht noch etwas deutlich: Patricia Highsmith geht es nicht nur um den Schockeffekt, um das Gefühl der Erleichterung, das sich beim Leser einstellt, wenn er am Ende der Geschichte wieder in seine gefahrlose Wirklichkeit zurückkehrt -- es geht ihr um die Darstellung echter Verzweiflung, sei es über Lärmbelästigung am Sonntag oder über einen brutalen Ehemann. Graham Greene weist in seinem Vorwort treffsicher darauf hin, dass diese Erzählungen nicht in erster Linie Angst hervorrufen, sondern Beklemmung. Dazu bedarf es großer Erbarmungslosigkeit und großer Subtilität -- Eigenschaften, über die Patricia Highsmith reichlich verfügte. Die vollständige Neuübersetzung von Der Schneckenforscher von Dirk van Gunsteren mit einem Nachwort von Paul Ingendaay ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zur Werkausgabe. Schöner kann man eine Autorin nicht neu- oder wiederentdecken. --Hannes Riffel Quelle:
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