Masako Togawa zählt in ihrem Heimatland Japan seit Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Krimiautoren. Endlich wurde nun auch ihr bereits 1963 erschienener und höchst lesenswerter Roman Schwestern der Nacht für die deutschen Leser wieder entdeckt, in dem ein Frauenmörder mit Opfern und Ermittlern spielt. Serienkiller haben Hochkonjunktur, ob in Pseudodokumentationen oder halbwegs seriösen Serien im Fernsehen, ob in neuen Kinoproduktionen oder zwischen Buchdeckeln -- die Sphinx des Massenmörders garantiert noch immer solide bis hervorragende Verkaufszahlen und Zuschauerquoten. Gerade bei Krimi und Thriller rückt die Qualität der Literatur dabei zunehmend zugunsten des reinen Schockeffekts und der Sensationshascherei in die dritte Reihe. Umso wohltuender in literarischer wie stilistischer Hinsicht hebt sich Togawas vor vier Jahrzehnten erschienener Thriller von den vielen zeitgenössischen 08/15-Produkten ab. Distanziert und unterkühlt, mit klarem Blick für die Psyche ihrer Figuren, schildert die Autorin die Tragödie des Computerspezialisten Ichiro Honda, der wochentags in Tokio seinen Beruf ausübt und nur an den Wochenenden seine in Osaka lebende Frau besucht. Nachts begibt sich Honda in den Straßen und Bars der Hauptstadt auf die Jagd -- nach Sex. Zwanghaft und berechnend sucht er die körperliche Liebe fremder Frauen und führt gewissenhaft Buch über seine Errungenschaften, während er zum Sex mit der eigenen Frau nach einem traumatischen Erlebnis nicht mehr in der Lage ist. Schließlich fallen einige seiner Gelegenheitsbekanntschaften einem Mörder zum Opfer, der peinlich darauf achtet, dass Honda selbst für die Tatzeiten keine Alibis aufweisen kann, mehr noch, der ihn zunehmend durch Indizien belastet. Honda wird verurteilt und vegetiert ohne jede Hoffnung im Gefängnis dahin, bis sich der skurrile Anwalt Hatanaka des Falles annimmt und seinen Jäger Shinji auf die Spur des unbekannten Killers schickt. Japanische Spannungsliteratur wurde bisher bei uns kaum von einer nennenswerten Öffentlichkeit wahrgenommen. Mit dem vorliegenden Buch und der Verfilmung des Romans durch Harold Becker (Sea of Love) wird sich das hoffentlich ändern. --Ulrich Deurer Quelle:
|