"Die Personen, die auftreten, sind frei erfunden. Mein Roman ist kein Schlüsselroman", stellt Friedrich Glauser seinem zweiten Kriminalroman um den Wachtmeister Studer voran. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Allzu leicht fällt es, in der Heil- und Pflegeanstalt Randlingen die Psychiatrische Klinik Münsingen zu erkennen, in der Glauser wiederholt zu Gast war; meist gezwungenermaßen, manchmal allerdings auch freiwillig, um vom Opium oder Morphium loszukommen. Fast für jede handelnde Figur findet sich ein konkretes Vorbild, jedes Zimmer und jedes nebensächliche Detail lässt sich auf Glausers Biografie zurückführen. Liegt es daran, dass sich Matto regiert geradezu beängstigend realistisch liest? In der Anstalt zu Randlingen geschehen zwei Ereignisse unterschiedlicher Tragweite: Ein Insasse büchst aus, was nicht eben ungewöhnlich ist, aber auch der Direktor ist verschwunden. Der Wachtmeister Studer wird vom leitenden Arzt, den er von einem früheren Fall her kennt, hinzugezogen und gerät in eine fremde Welt. Das "Irrenhaus", wie der Volksmund sagt, funktioniert nach gänzlich eigenen Gesetzen. Studer muss nicht nur den Indizien des Falles nachspüren, erst muss er die Mechanismen verstehen lernen, nach denen die Menschen hier leben -- und sterben. Matto regiert ist der zweite von fünf Romanen um den Fahnder Studer, und er ist zweifellos der beste. Hier ist sie, die oft geforderte Authentizität, nach der wir nicht nur in der modernen Gegenwartsliteratur meist vergeblich suchen. Dabei entbehrt sie jeglicher weinerlichen Selbstbeschau. Glauser hält sich aus der Geschichte völlig heraus, obwohl sie in einem nicht zu überschätzenden Maß seine eigene ist. Wie sehr, das enthüllen ein kurzes und informatives Nachwort sowie die akribischen Anmerkungen des Herausgebers Bernhard Echte. Je mehr man in der Union-Ausgabe von Glausers Romanen und Erzählungen liest, desto klarer erweist sie sich als Königsweg in das Werk dieses Autors -- vorbildliche Arbeit an einem erfreulicherweise nicht mehr ganz so vergessenen Genie. --Hannes Riffel Quelle:
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