Signor Sigma hat Bauchweh. Auf dem Weg zum Arzt muß er an der Ampel warten, dann den Fahrplan lesen, bevor er an die Adresse gelangt, wo ihm der Doktor anhand der Symptome eine Trinkerleber diagnostiziert. Die Botschaft ist klar: Unsere Lebenswelt ist ein Reich der Zeichen, und wir können darin nur leben, wenn wir diese zu deuten wissen. Mit Herrn Sigma beginnt der Ausflug in die semiotische Gelehrsamkeit, auf den man sich mit dem Eco-Reader begeben kann: willkommen im Im Labyrinth der Vernunft. Die Herausgeber haben einen durchaus programmatischen Titel gewählt, denn wer Ecos Weltbestseller Der Name der Rose gelesen hat, der kann die Bedeutung erahnen, die die Figur des Labyrinths in seinem Denken einnimmt. Im "Rosenroman" ist es die Bibliothek, in dem vorliegenden Sammelband die Generalmetapher für die enzyklopädische Totalität unserer Kultur. Alles Kulturelle ist bei Eco Kommunikationsprozeß, also Produktion von Zeichen und deren Interpretation. Dieser Grundgedanke der Ecoschen Semiotik ist der Leitfaden, der sich durch diese Textsammlung zieht. Es geht um Massen- und Medienkultur, um Kunsttheorie und Avantgarde-Ästhetik, um die Schnittstelle von Erkenntnistheorie und Zeichenlehre. Eco liest sich über weite Strecken richtiggehend spannend, weil er sein Wissen -- siehe Herr Sigma! -- in anschauliche Formen zu bringen weiß. Und wenn auch die semiotische Vernunft heutzutage etwas altmodisch aussehen mag, alle Schnellebigkeit akademischer Moden kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß Zeichen erst in ihrem Gebrauch aufgehen, daß man sie also erst einmal als Zeichen erkennen muß, bevor man sie interpretieren kann. Schließlich geht es ja nicht um die Rose, sondern um den Namen der Rose. --Nikolaus Stemmer Quelle:
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