"Du spielst den Judas und bist schlimmer als er." Diesen Brief erhält Antonio Patò, der Filialleiter einer Bank im kleinen sizilianischen Städtchen Vigà ta. Kurze Zeit später verschwindet er -- und zwar auf ausgesprochen spektakuläre Art und Weise. Patò gehört zu einer Gruppe örtlicher Honoratioren, die alljährlich am Karfreitag die Hauptrollen in einem Osterspiel übernehmen. Im Jahre 1890 findet die Aufführung vor dem prachtvollen Palast des Marchese Simone statt, und Patò spielt einmal mehr den Judas. Wie seit fünf Jahren schon ist das Publikum ganz hingerissen von seiner Darstellungskunst, und nachdem er programmgemäß zur Hölle gefahren, das heißt in einer versteckten Luke in der Bühne verschwunden ist, ertönt tosender Beifall. Als die Schauspieler am Schluss jedoch noch einmal auf die Bühne kommen, fehlt von Patò jede Spur. Und er taucht auch am nächsten Tag nicht wieder auf oder am übernächsten, dem heiligen Ostersonntag. Voller Verzweiflung schaltet seine Frau die Polizei ein. Commissario Bellavio gibt sich -- mal im Wettstreit mit den Carabinieri, mal in Zusammenarbeit mit ihnen -- alle Mühe, den Verschwundenen aufzuspüren, doch vergebens. Fast könnte man meinen, er wolle gar nicht gefunden werden. Wer Andrea Camilleri bisher "nur" als Autor der Serie mit Commissario Montalbano kennt, sollte sich diesen historischen Roman nicht entgehen lassen. In Briefen, Zeitungsartikeln und Polizeiberichten entwirft er das Bild einer kleinen sizilianischen Gemeinde im ausgehenden 19. Jahrhundert. Liebe, Mord und Korruption prägten auch damals die Entscheidungen der Menschen. Und kaum einer weiß dies so bissig und gleichermaßen verständnisinnig zu schildern wie Camilleri. Ein Leckerbissen! --Hannes Riffel Quelle:
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