Sarajevo 1993, Srebrenica 1995, Pristina 1999? Es ist traurig, wenn ein Buch immer wieder von neuem aktuell ist, weil sich Geschichte zwar nicht wiederholt, aber die Menschen Geschichte wiederholen. Und es macht betroffen, feststellen zu müssen, daß sich zwar die Namen der Orte ändern, doch der Inhalt der Bilder austauschbar ist. Erich Rathfelder, Journalist in Split und Sarajevo, hat sechs Jahre lang mit dem Krieg in Bosnien gelebt. Er hat von Beginn an miterlebt, wie sich allmählich und dann immer schneller der todbringende Kreisel des nationalistischen Wahns zu drehen begann, wie ein vormals als Beispiel gerühmtes Völkergemisch durch den kalkulierten Wahnsinn einiger pathologischer Nationalisten in einen Krieg getrieben wurde, der die "Beseitigung ethnischer Verschmutzung" ("ethnische Säuberung") zum Ziel hatte. Diese "klinischen Begriffe" bedeuteten Vertreibung von über zwei Millionen Menschen, Tod für Zehntausende, Vergewaltigungen, unermeßliches Leid vor allem für die Zivilbevölkerung; Freunde wurden zu Feinden, Nachbarn zu Mördern. Besonders eindrucksvoll ist dieses Buch, weil der Autor die Betroffenen sprechen läßt: Persönlichkeitsskizzen über die Hauptverantwortlichen des Krieges (wie Karadzic oder Tudjman) stellt er neben persönliche Erlebnisse und erschütternde Augenzeugenberichte. Politisches Kalkül, unglaubliches Leid, aber auch die Banalität und Ironie des Kriegsalltags vermischen sich zu einem komplexen Abbild des Krieges. Deutlich bezieht Rathfelder Position: Seine Sympathie gilt vor allem den muslimischen Bosniaken, in ihnen identifiziert er die Hauptopfer des Krieges. Doch das Schreiben aus der Opfer-Perspektive führt nicht zu ideologischer Schwarzweiß-Malerei. Die Fakten, die er ins Feld führt, sind stichhaltig und vielfach geprüft. Ein erschütterndes, wachrüttelndes Buch, das neben militärischen und politischen Fakten vor allem die Menschen sprechen läßt. --Manfred Schwarzmeier Quelle:
|