Streng genommen wurde der Titel "Zar" von den russischen Herrschern nur in der Zeit von 1547 -- dem Jahr der Krönung Ivans IV. (des Schrecklichen) -- bis 1721 geführt, als Peter der Große den Titel eines "Allrussischen Kaisers" annahm. Mit dem Titel Kaiser freilich ist jener des Zaren etymologisch eng verwandt. Die sprachliche Verwandtschaft war auch der Grund, weshalb die Anerkennung des Zarentitels -- ebenso wie später die des russischen "Kaisers" -- von seiten der europäischen Aristokratie nur sehr zögerlich erfolgte. Doch wie auch immer die Herrschertitel historisch korrekt gelautet haben mögen, mit dem russischen Thron verband und verbindet man sowohl im russischen Volk als auch im Ausland stets den Zaren. Die Geschichte dieser "Zaren" wird in dem vorliegenden, mit einer ausführlichen und gut kommentierten Bibliographie versehenen Band in 24 von namhaften Fachleuten verfaßten Einzelportraits und einem einführenden Essay gezeichnet. Sie ist zugleich eine umfassende Darstellung der russischen Geschichte bis 1918, dem Jahr der Ermordung Nikolaus' II. Licht bringt das Buch nicht nur in die Lebensgeschichte der Zaren selbst, es erhellt auch die politische Geschichte Rußlands und zwar auch über das Jahr 1918 hinaus: Wenige Tage vor seiner Abdankung im Frühjahr 1917 fragte Nikolaus den englischen Botschafter, der ihn auf seine abnehmende Beliebtheit angesprochen hatte: "Meinen Sie nun, daß ich das Vertrauen meines Volkes wiedergewinnen muß, oder meinen Sie nicht vielmehr, daß mein Volk mein Vertrauen zurückgewinnen muß?" Diese realitätsferne Vorstellung von Herrschaft hat nicht nur die Oktoberrevolution überdauert. Sie ist auch heute noch nicht gänzlich überwunden. Und auch das seinerzeit hilflose und öffentlich als "Minister-Bockspringen" verspottete Austauschen von Personen erinnert sehr an heutige Zustände. --Andreas Vierecke Quelle:
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