"Ich war einmal mit einer Tänzerin verlobt, aber (...) sie lief mit einem Pianisten davon, und da habe ich mit ihr Schluss gemacht." Das eigene Scheitern eingestehen und es gleichzeitig mit charmanter Chuzpe zumindest in ein Unentschieden umlügen -- wenige beherrschen diese Kunst so brillant wie Woody Allens Stadtneurotiker, in denen sich nicht nur New Yorker Intellektuelle ein ums andere Mal wieder erkennen. Dem Geheimnis dieses Erfolges versucht der Philosoph Vittorio Hösle mit einem ausgefeilten hermeneutischen Instrumentarium auf den Grund zu gehen. Für ihn ist Allen, aller vordergründigen Komik zum Trotz, in erster Linie ein Moralist, der in einer Zeit, in der viele den Glauben an Gott ebenso wie an diverse Ersatzreligionen -- von Sex bis Zen -- verloren haben, die Frage nach den letzten Dingen stellt und ethische Mindeststandards einfordert -- ein Ungläubiger, der sich als "die loyale Opposition Gottes" versteht. Dabei traut der Filmkünstler sich selbst nicht über den Weg. Kunst -- so interpretiert Hösle The Purple Rose of Cairo -- verführt zum Eskapismus und vermag die Wirklichkeit letztlich nicht entscheidend zu verändern. Ähnlich ambivalent ist die These vom intellektuellen Anti-Akademiker Allen, der sich und seine Standesgenossen immer wieder zu Narren macht. Dank deren geschärfter Selbstwahrnehmung lachen wir jedoch nie nur über sie, sondern immer auch mit ihnen, mehr melancholisch als maliziös. Zu diesen Erkenntnissen verhilft uns der Autor mal recht leichtfüßig, dann wieder arg professoral, wenn er etwa die Wirkungsweise eines Witzes auf vier Ebenen in extenso erklärt. Umgekehrt wird vieles angetippt, weniges ausgeführt, so dass man trotz manch neuer Einsicht etwas ratlos zurückbleibt. Aber wenn Hösles philosophisch verbrämte Begeisterung für Allen auch nur zwei, drei Leser ansteckt, will ich nichts gesagt haben. --Patrick Fischer Quelle:
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