Kein Zweifel: Strizz kommt in die Jahre. Zwei davon hat der sympathische Büroangestellte schon auf seinem Buckel, ebenso wie seine Freundin Irmi, sein verfressener, angesichts des Golfkriegs etwas melancholisch gewordener Kater Paul, der ebenso brutal wie hilflos dreinschauende Nachbarshund Tassilo, Dackel Müller, Ratte Lilo sowie der kleine Raffael mit seinen fünf Stofftieren, die eigentlich alle Philosophen und Privatgelehrte sind. Mit ihrer Hilfe kann Raffael quasi in sechs Stimmen reden und sich so im Alleingang zum „Neuen Philosophischen Quartett“ aufschwingen. Und Weltprobleme wälzen, ebenso wie Strizz, der viele kluge, leider nie so recht gewürdigte Ideen hat -- Spielgeld für Anlagegeschäfte in der New Economy zum Beispiel (eine Idee, für deren Verwirklichung es einer „exorbitanten Gehaltserhöhung“ von Seiten seines Chefs bedürfte, die er natürlich nie bekommt) -- und noch viele andere Einfälle, die auf allerlei Weltlagen, wirtschaftliche oder politische Katastrophen eine Antwort haben. Denn Strizz ist so etwas wie die hintergründig-politische Zeitungszeichnung auf Seite 2, nur eben als Zeitgeist-Comicstrip. Aber so witzig, wie sie daherkommt, ist sie doch auch noch ein wenig mehr. Ja, Strizz, der tägliche, preisgekrönte und auch sehr textlastige Comic von Volker Reiche in der FAZ, ist in sein zweites Jahr gekommen, aber das merkt man ihm noch gar nicht an. Denn auch wenn die aktuellen Ereignisse, auf die er sich bezieht, bald im Hirn des Lesers verblasst sein werden, so hat Strizz trotzdem das Zeug zum Klassiker -- zum Klassiker zudem, der erst in Buchform seine wahren Qualitäten entfaltet. Denn bei aller tagespolitischen Relevanz erzählt Strizz ja doch Geschichten, die die einzelnen Strips zu einem großen Epos des bundesrepublikanischen Alltags verbinden. Dass man einen Klassiker vor sich hat, wird man natürlich erst merken, wenn man Strizz. Das zweite Jahr in zehn Jahren wieder aus dem Buchregal zieht. Aber wenn wir Glück haben, wird das gar nicht nötig sein. Denn dann gibt es vielleicht schon Strizz. Das zwölfte Jahr. Es wäre uns zu wünschen. --Stefan Kellerer Quelle:
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