Ja, was ist eigentlich „typisch“ deutsch? Irgendwie scheinen wir es alle zu wissen. Typisch deutsch, das ist zu viel Bürokratie, preußischer Ordnungswahn und Militarismus, Blasmusik und Schweinshaxe, Humorlosigkeit, Fleiß, Autoritätshörigkeit und Überheblichkeit -- oder vielleicht doch nicht, sondern ganz etwas anderes? „Gemessen an der jährlichen Arbeitszeit sind die Deutschen heute das faulste Volk der Welt“, schreibt Hans-Dieter Gelfert, Professor für Anglistik an der FU Berlin in seinem amüsanten Buch Was ist deutsch?: „Sie haben den längsten Urlaub, machen die häufigsten Auslandsreisen und gehen früher als die meisten anderen Völker in Rente.“ Und selbst Geschwindigkeitsbegrenzungen werden von den Deutschen häufiger übertreten als von Amerikanern und Engländern, bei denen vielleicht die meisten Vorurteile über uns Deutsche grassieren. Wie Gelfert aufzeigt, gibt es auch für jeden Beweis deutsch-typischer Mentalität ein mindestens ebenso zugkräftiges Gegenbeispiel. Und doch: Es gibt Begriffe, die sich durch unsere Geschichte ziehen wie ein roter Faden. Diesen Begriffen spürt der Autor nach. Er beleuchtet die Sehnsucht nach Heimat und romantischer Waldeinsamkeit, den Wunsch nach kantianischem Pflichtbewusstsein, nach Tragik und Totalität, Verein und Ordnung. Deutsche Mythen sind sein Thema und deutsche Helden oder deutsche Frauen, die nicht nur Schiller (von den Romantikern verspottet) verherrlicht hat. Deutsche Literatur, Musik und Kunst, deutscher Stil und deutscher Kitsch: Kein Aspekt unseres Wesens und Werdens ist vor Gelfert sicher. So entsteht ein unterhaltsames, jederzeit gut lesbares und vor allem ungemein kluges Panorama der deutschen Volksseele. Wer immer schon wissen wollte, wie er wurde, was er ist (oder eben nicht), sollte Was ist deutsch? von vorn bis hinten lesen. --Isa Gerck Quelle:
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