Von einer "historischen Irrfahrt", wie noch in der Vorankündigung des Verlags, ist im Untertitel nun nicht mehr die Rede. Bei genauerer Betrachtung scheinen die Autoren den zweifellos nicht immer sonderlich gradlinigen Kurs der rot-grünen Regierung also für nicht mehr ganz so ab- bzw. irrwegig zu halten. Ein Abenteuer freilich ist der Regierungsversuch der Mannschaft von Gerhard Schröder und Joschka Fischer in ihren Augen geblieben. Doch wäre er dies wohl auch für jede andere Regierung gewesen, die nach sechzehn Jahren Helmut Kohl die notwendigen Sanierungsarbeiten am deutschen Staatsschiff hätte in Angriff nehmen wollen. Dass die Autoren dies bei der kritischen Bilanz der bisherigen Arbeit der Regierung Schröder als mildernden Umstand in Rechnung gestellt haben, ändert nichts daran, dass sie mit ihr äußerst kritisch ins Gericht gehen. Auch wenn im Blick auf die Regierung Schröder viel von enttäuschten Hoffnungen die Rede ist: Eigentlich hatte man sich 1998 gar nicht mehr erhofft, als endlich einen anderen Kanzler als Helmut Kohl. Tatsächlich verdankte Schröder den 98er-Wahlsieg "nicht einem auf Absichten und Programmen basierenden Wählerauftrag, sondern einer seltsamen Mischung aus Überdruss, Kalkül und Zufall". Vor allem aber verkörperte Schröder, wie es im Vorwort sehr treffend heißt, "'irgendwie' den Neuanfang". Der mit einem Wahlprogramm des Ungefähren errungene Sieg habe, bilanzieren die Autoren, seine Fortsetzung in einer "schaukelnden Regierungsarbeit" gefunden, deren lediglich drei Konstanten zu ihrem Markenzeichen geworden wären: "Kommission einsetzen (Rente, Zuwanderung, Gesundheit, Hartz), deren Ergebnisse öffentlich diskutieren lassen, abwarten, was überlebt, und das dann zögerlich und halbherzig umsetzen; Etikettenpolitik ('Neue Mitte', 'Deutscher Weg', 'Ruhige Hand') und symbolische Inszenierungen (Holzmann, Green Card, Eliteuniversitäten) als Politikersatz; handwerkliche Schlamperei bei der Gesetzgebung, 'Nachbessern' als Machttechnik." Wie man an diesen Zeilen unschwer ablesen kann: Ein Gefälligkeitsgutachten ist dieses Buch ganz sicher nicht! Und dennoch: "Rot-Grün war eine Notwendigkeit", heißt es am Ende, weil es notwendig gewesen sei, dass "diese Generation die politische Verantwortung für die Bundesrepublik tragen musste". Nur so habe sich überhaupt etwas bewegen können, ohne zu großen Verwerfungen in der Gesellschaft zu führen. Bedenkenswert! -- Andreas Vierecke Quelle:
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