Wo ein Mensch seine Heimat hat, das ist ihm solange kein Problem, wie er sich dieser Heimat sicher ist. Für Daniel Cil Brecher hat es diese Sicherheit niemals gegeben. Als Sohn deutsch-jüdischer Eltern 1951 in Israel geboren hätte er dort seine Wurzeln schlagen können, wenn seine Eltern nicht mit dem zweijährigen Daniel im Gepäck von dort weg (und ausgerechnet nach Deutschland) gegangen wären. In dem Bewusstsein des Widerspruchs, hierhin und dorthin auf die eine oder andere Weise zu gehören, und irgendwie auch wieder nicht, ist der Autor groß geworden. Als Zionist jedenfalls, so viel hat er, der 1976 Deutschland wieder in Richtung Israel verließ, sich eingestehen müssen, ist er nicht zu gebrauchen. Zu sehr ist, wenn man das so sagen darf, der Zweifel seine etwas traurige, eigentliche Heimat geworden. Der Zweifel daran etwa, dass das erlittene Unrecht des jüdischen Volkes es rechtfertigen könnte, wie der Staat Israel heute die arabische Bevölkerung Palästinas diskriminiert. Von seiner Heimatsuche und dem Gefühl der Fremdheit, das der zionistische Nationalismus ihm verursacht, handelt dieses kluge Buch, in dem Brecher scharfsichtig nicht nur die Defizite der israelischen Gesellschaft und Politik analysiert, sondern auch deutlich die Voraussetzungen benennt, derer Israel bedürfte, um wirklich eine Zukunft zu haben. "Aussicht auf Frieden und Aussöhnung innerhalb des Staates Israel selbst besteht erst", so Brechers Resümee, "wenn Israel sich zu einer offenen Gesellschaft wandelt, in der die Rechte und die Entwicklung des einzelnen Bürgers ungeachtet von Rasse und Religion geschützt und gefördert werden, in der nicht länger die Dogmen des Zionismus, sondern Freiheit und Menschenwürde im Vordergrund stehen. Dann wäre Israel endlich auch ein Land, das sich zur wichtigsten jüdischen Tradition bekennt -- zur Gerechtigkeit." Große Hoffnung, dass sich diese Wandlung in naher Zukunft vollziehen könnte, hat er, der das Land 1986 wieder verließ, bis heute nicht. Ein sehr persönliches und gerade deshalb ausgesprochen wichtiges Buch über die Ursachen und die möglichen bzw. unmöglichen Auswege aus dem Nahostkonflikt. -- Andreas Vierecke Quelle:
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