Eigentlich hat Samuel Goldmann zwei Mütter. Während die leibliche dem Kind früher im Bade schon mal erotisch verbunden war, fühlt sich die andere (seine Tante) eher von dem Heranwachsenden angezogen. Fortan ist Goldmanns Leben eine ständige Flucht in zahlreiche Affären, die das inzestuöse Doppeltrauma verdrängen helfen sollen. Wo immer aber der Student auch hinkommt, ist eine seiner Mütter bereits da. Und so nützt selbst der Auszug nach Israel wenig: Seine Mamme fährt ihm nach, um ihn nach allerlei Mitgiftsfeilschereien standesgemäß mit einer Jüdin zu verheiraten: "Der intelligente, sensible Akademiker Samuel Goldmann schlich stets auf dem Pfad des geringsten Widerstands". So gilt das abschließende Jawort in diesem überaus gelungenen Roman von Rafael Seligmann auch nicht der neuen Ehefrau: "Ja, Mamme", lautet der letzte Satz des Buchs. Zuvor aber erzählt der deutsch-jüdische Autor aus unterschiedlichen Perspektiven frech und sympathisch von paranoiden Psychiatern, notgeilen Männern und zänkischen Weibern, sowie von den alltäglichen Schwierigkeiten im Umgang mit deutschen Schicksen, Sephardim und Juden der Diaspora. "Warum guckst Du so traurig, Samylein?", fragt einmal eine deutsche Freundin. Und Samuel antwortet: "Weil es mich wahnsinnig macht, daß unser Volk ständig von einer Katastrophe in die andere taumelt." Derart vergnüglich geschildert, werden die privaten Tragödien des "Schürzen- und Schicksenjägers" Goldmann wohl viele Leser eher fröhlicher machen. --Thomas Köster Quelle:
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