Was macht eine Biologieprofessorin der Universität Harvard/USA in ihrer Freizeit? Sie erinnert sich an ihre portugiesische Heimat, schreibt Romane und erhält 1991 den "Großen Portugiesischen Literaturpreis". Mit ihrem Roman Das Alphabet der Frauen feierte die inzwischen 40-jährige Clara Pinto Correia aus Lissabon einen großen literarischen Erfolg. Im Unterschied zu den meisten AutorInnen im postrevolutionären Portugal schreibt Clara Pinto Correia weniger zu historischen und politischen Themen, sondern ist stark an den emotionalen und psychologischen Fassetten ihrer Figuren interessiert. In Das Alphabet der Frauen werden die Lebensgeschichten und Gefühlszustände sehr unterschiedlicher Frauen beschrieben und schließlich miteinander verwoben. Wie beim Handarbeiten viele kleine Fäden und Stiche zu einem großen Motiv gestickt werden, fügt die Autorin ihre Frauenfiguren zu einem einzigen weiblichen Abbild des Lebens in Portugal zusammen. Jede zählt enger oder entfernter zum Freundinnen- und Bekanntenkreis der Ich-Erzählerin, die nach dem Ende ihrer Beziehung in eine schwere Lebenskrise gerät. Auf der Suche nach Trost und emotionaler Unterstützung sucht sie ihre Freundinnen auf. Jede ist ihr auf ihre spezielle Weise verbunden, unabhängig vom Alter oder von sozialen Schranken. Die Bande zwischen den Frauen beruhen auf der Tatsache ihres Frauseins, die Kommunikation auf einem tiefen gegenseitigen Verständnis. Clara Pinto Correia erzählt in Das Alphabet der Frauen, "dass die Liebe unter Frauen unser Leben erstrahlen lassen kann und dass es wie ein Gewitter über uns hereinbrechen kann, wenn es uns an Erfahrung und Übung fehlt". Das Buch ist eine Liebeserklärung an die Freundschaft und Loyalität unter Frauen und zeichnet ganz nebenbei den portugiesischen Alltag in schillernden Farben. Correias Erzählstil ist ausladend und wuchernd, die Bilder, die sie zeichnet sind farbenfroh und ideenreich. Leider ist die Zahl der Namen und Lebensgeschichten so groß und ihre Erzählweise so wenig stringent, dass die unbedarfte Leserin schon einmal den Faden verlieren kann. Aber dieses Verwirrspiel hat System. Wie sich viele, kleine Stiche zu einem einzigen Motiv fügen, bilden viele, kleine Geschichten am Ende einen einzigen Roman. Die Originalität von Das Alphabet der Frauen ist jedenfalls bestechend. --J. Hager Quelle:
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