Nach dem Spiel ist vor dem Spiel -- Julia Franck inszeniert in ihrem neuesten Buch Bauchlandung abgründige Geschichten um die Liebe. "Ich will einen treffen, den ich lieben kann", denkt die junge Frau im Zugabteil und weiß, der Leberwurststullen verzehrende Mann ihr gegenüber wird es nicht sein. Auf dem Weg zur Hochzeit ihrer Freundin in Italien kann sie das Gefühl nicht loswerden, sich übrig geblieben zu fühlen. Obwohl sie sich nicht sicher ist, ob sie ihre Freundin um die Liebesexzesse vor der Ehe und die Kochexzesse danach wirklich beneiden soll. Alle Figuren in Julia Francks Erzählband Bauchlandung sind Einzelgänger. Wider Erwarten sind sie doch ebenso ständig auf der Suche nach einem Gegenüber. Sie sehnen sich nach verzehrenden Abenteuern, wissen um die Einsamkeit der Lust und kennen bereits im Moment des Glücks den Absturz danach. So auch die junge Frau, die in der Geschichte "Mir nichts, dir nichts" mit ihrer Freundin Emily heimlich den Liebhaber teilt. Als Emily morgens verheult bei ihr eintrifft -- sie hatte die ganze Nacht nach Paul gesucht, ohne zu wissen, wo er war, und er war natürlich gerade hier -- muss sie trösten, was sie hassen möchte. Noch in der Umarmung gleiten die Arme der Freundin da entlang, wo seine Küsse vor Minuten ihre Haut berührten, wo sein Körper noch zu riechen ist. Ihre Liebe teilt den Takt mit Emilys Leiden. In Julia Francks Geschichten zerrinnt das Glück in der Sekunde, in der der Jäger glaubt, das Opfer erlegt zu haben. Denn die Zeit vom Schuss bis zum Ziel ist lang. Wo ein anderer bereits im Siegestaumel liegt, schaut sie lieber mit lauerndem Blick der Kugel hinterher und verfolgt ihren Lauf. Im Moment des Todes verlischt das Interesse. Bauchlandung ist trotz der reißerischen Aufmachung ein Buch auf den zweiten Blick. Was daherkommt wie eine Sammlung kurzweilig erotischer Geschichten offenbart alsbald einen morbiden Charme, der geradewegs in den Abgrund weist. Hier lauern die wahren Geschichten. Und wenn man glaubt, Julia Franck habe sich dort leichtfüßig ein paar Stunden herumgetrieben, so sollte man erst einmal die nächste Reise abwarten. Die Leberwurststulle kommt bestimmt. Auch wenn wir sie nicht sofort erkennen. --Jana Hensel Quelle:
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