Kosovo: Kinderaugen schauen voll Angst unter einem Titel, der täuschend echt die Farbe von Blut trägt. Der Text danach ist weniger gefühlsbetont. Autor Matthias Rüb berichtet seit fünf Jahren vom Balkan für die F.A.Z., was sich stilistisch wie politisch in seinem Buch niederschlägt. Er beschreibt meist sachlich, manchmal aber auch wertend, wie es zu diesem Krieg kommen konnte und wo die Hintergründe liegen. Amselfeld, Rambouillet, Milosevics Aufstieg und der Widerstand der UCK: Ereignisse, die im Krieg meist nur Stichworte blieben, weil viele Medienmacher das Darstellen konkreter Kampfaktionen profitabler fanden. Bilder dominierten -- und überlagerten Hintergründe. Der Autor schreibt mit seinem Werk gegen das an, was daraus entstand: Stereotypen und Simplifizierungen, Mythen und Verschwörungstheorien. Schildert er dies gewichtend, verläßt er seine Rolle als Chronist und nimmt die eigentliche journalistische Rolle ein, als Navigator im Informationsmeer. Diese Passagen machen das Buch besonders wertvoll. Wahre Lesefreude macht das Kapitel über den NATO-Einmarsch, das als Reportage geschrieben ist. Ein Trumpf dieses Buchs ist auch seine Aktualität -- Stand: August 1999. Dies erscheint zugleich nachteilhaft, denn noch hält sich der Nebel, den Zensur, PR und Propaganda auf den Krieg warfen. Was in den fünfhundert Jahren zuvor passierte, läßt sich dagegen gut berichten, und soll helfen, die historischen Auslöser zu verstehen, die zum ersten Angriffskrieg der NATO führten. Dabei betont Matthias Rüb, daß der Konflikt zwischen Serben und Albanern kein Kulturkampf oder Religionskrieg war, sondern ein Krieg, "der durch ein kompliziertes Geflecht von politischen, ökonomischen, sozialen, ethnischen und religiösen Ursachen ausgelöst wurde." Wer sich dem Geflecht nähern will, ist mit diesem handfesten und bescheidenen Buch gut bedient, das keine Prognosen wagt, aber einen der ersten Versuche, den jüngsten europäischen Krieg tiefgründig auszuleuchten. --Frank Rosenbauer Quelle:
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