Was haben Australien und Ost-Berlin miteinander gemein? Ganz einfach: Wie in Australien haben die Menschen in Ost-Berlin irgendwie immer das GefĂŒhl, "am Rande von etwas viel Wichtigerem" zu leben. So hat es Anna Funder einmal sehr treffend auf den Punkt gebracht. Und wer einmal im Osten der deutschen Hauptstadt einen Zug durch die Gemeinde unternommen und den Leuten in den Bierstuben zugehört hat, der weiĂ, dass nur wenige Kilometer vom neuen bundesdeutschen Regierungsviertel entfernt viele Menschen immer noch glauben, das eigentliche, das richtige Leben fĂ€nde ganz woanders statt. Wie es aussieht? Keine Ahnung, jedenfalls anders als das eigene. Leuten aufmerksam zuhören zu können und sich aus dem, was sie zu hören bekommt, ein sehr genaues Bild zu machen, gehört zu den vielen StĂ€rken der australischen Juristin, Filmemacherin, Autorin und ehemaligen Studentin an der FU Berlin, die fĂŒr die 2002 zuerst auf Englisch erschienene Stasiland-Reportage zu Recht bereits eine ganze Reihe namhafter Preise eingeheimst hat. Manche ihrer GesprĂ€chspartner hat Funder per Zeitungsinserat in der MĂ€rkischen Allgemeinen gefunden: "Suche: ehemalige Stasi-Offiziere und Inoffizielle Mitarbeiter zwecks Interview." Daraus, was sie in diesen Interviews, in GesprĂ€chen mit Freunden und einfach durchs Zu- und Hinschauen beim Leben in Berlin erfahren hat, hat sie ein unbedingt lesenswertes Buch gestrickt. Was fĂŒr ein Art Buch das nun ist (einfach ein Sachbuch oder besser vielleicht ein nonfiktionaler Roman?), ist dabei völlig nebensĂ€chlich. Jedenfalls aber ist es ein ungeheuer intelligent komponiertes Dokument der Zeitgeschichte, das zudem hervorragend geschrieben ist. Schön, dass es einen Verlag gefunden hat, der die Ăbertragung ins Deutsche auch einem guten Ăbersetzer (Harald Riemann) ĂŒberantwortet hat. --Andreas Vierecke Quelle:
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