Chalmers Johnson bleibt sich auch mit seinem neuen Buch treu. Seit vielen Jahren gehört der emeritierte Politikprofessor von der University of California nicht nur zu den scharfsichtigsten, sondern auch zu den scharfzüngigsten Beobachtern der amerikanischen Politik. Anders als viele, die erst jetzt erkennen, in welch kritischer Verfassung sich die politische Kultur in den USA befindet, mahnt Johnson schon seit Jahren vor ernsthaften Schäden an der Statik des amerikanischen Staatswesens. In Ein Imperium verfällt war der Autor sogar so weit gegangen, in der von ihm diagnostizierten skrupellosen Überdehnung des amerikanischen Imperiums die Gefahr seines Untergangs zu beschwören. In Der Selbstmord der Demokratie zeigt Johnson, weshalb die Politik der Regierung von George W. Bush diese Entwicklung zusehends beschleunigt, auch wenn sie seiner Ansicht nach lediglich Traditionen fortschreibe, die amerikanisches Regierungshandeln schon immer bestimmt hätten. Wie ernst Johnson die Lage der amerikanischen Demokratie beurteilt, macht das Zitat deutlich, das er dem titelgebenden Schlusskapitel vorangestellt hat und das der Autor Hannah Arendts Klassiker der Totalitarismusliteratur Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft entnommen hat: "Wenngleich die Tyrannis, da sie nicht der Zustimmung bedarf, erfolgreich fremde Völker zu beherrschen vermag, kann sie sich nur an der Macht halten, wenn sie zuerst die nationalen Institutionen ihres eigenen Volkes zerstört." Das ist starker Tobak. Doch in der Tat präsentieren sich die demokratischen Institutionen in Amerika, um es schmeichelhaft auszudrücken, nicht in bester Verfassung. Nicht zuletzt die Ermächtigungen, die die beiden Kammern des Parlaments George W. Bush in der Woche vom 03. bis 10. Oktober 2002 eingeräumt haben, belegen dies: Sie erlaubten es dem Präsidenten unter anderem, "in einem Präventivschlag gegen den Irak alle Mittel einzusetzen, auch Nuklearwaffen, wann immer er -- und nur er allein -- es für angemessen und erforderlich hielt. Es gab keine Debatte. Die Parlamentarier waren zu eingeschüchtert, um über das Thema zu diskutieren." Eingeschüchtert von der Freund-Feind-Rhetorik, mit der die Bush-Regierung zuvor lautstark jeden, der sich den von der Regierung geforderten Maßnahmen widersetzte, zum Staatsfeind stempelte. Statt eine parlamentarische Debatte zu führen, die dem Ernst der Lage angemessen gewesen wäre, ging man in der Sitzung, in dem der Senat dieser Ermächtigung zum gegebenenfalls totalen Krieg mit 77 zu 23 Stimmen seinen Segen gab, schnell zur Tagesordnung über. Es gab Lobreden auf einen Verein junger Bauern und ein Referat über die Geschichte der kalifornischen Stadt Mountain. Der Militärwissenschaftler Winslow T. Wheeler hat aus diesen Vorgängen das Resümee gezogen, nach dieser blamablen Vorstellung schulde das Volk diesen Volksvertretern höchstens noch "die Fahrkarte für eine Reise auf den Müllhaufen der Geschichte". Starker Tobak fürwahr. Aber so unbegründet, wie man es gerne hätte, sind die Ausfälle von Wheeler und Johnson leider nicht! --Andreas Vierecke Quelle:
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