"Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen." Beziehungsweise darüber schreiben -- für so manchen Autor wohl der Hauptgrund fürs Kofferpacken. Anders bei Matthias Politycki, nach eigenen Aussagen Reisejunkie ("... das ist meine Droge, ganz klar!") und immer froh, on the road die Finger von Stift und Notizbuch lassen zu können. Aber das klappt eben nicht immer -- zum Glück! Schon die Titel machen neugierig: 'Sonnenbaden in Sibirien' -- 'Zu dumm zum Tanken' -- 'Die Afrikaschnarcher' -- 'Ein Gletscher in der Wüste Gobi' -- 'Akupunktur der Stille' -- 'Das Schweigen am anderen Ende des Rüssels'. Und Matthias Politycki, der mit seinem Weiberroman die eigene Forderung nach "Neuer Deutscher Lesbarkeit" auf das Amüsanteste erfüllt hat, weiß auch mit den hier versammelten Texten aus mehr als 15 Reisejahren auf hohem Niveau zu unterhalten. Es sind keine Kurzgeschichten, und erst recht keine Reportagen, sondern kunstvolle literarische Mitbringsel, die alle auf einen besonderen und kostbaren Moment hin geschrieben sind, der sie zugleich miteinander verbindet: Eine "leere Sekunde" der Stille, in der die Welt für einen Augenblick den Atem anzuhalten scheint, es einem die Sprache verschlägt, weil etwas so grotesk, grausam, komisch oder poetisch ist. Wenn beispielsweise ein alter Chinese einen Aal bei lebendigem Leib ausnimmt, wenn bei einem karibischen Tauchgang plötzlich die Luftversorgung streikt, wenn in einer Safarinacht ein Nilpferdbulle geräuschvoll zwischen den Zelten zu grasen beginnt. Es ist ein großes Vergnügen, mit Politycki auf Reisen zu sein, weil er ohne den "Blankoblick derer, die schon zuviel von der Welt gesehen haben, um noch auf Überraschungen zu hoffen", unterwegs ist und zudem einen ausgeprägten Sinn besitzt für jede Form von Alltagskomik, für die Kleinigkeiten am Rande, für die Tücke des Objekts. Oder für die permanenten Kommunikationsunfälle, die sich auch durch das weltweit gebabbelte Pidgin-Englisch ("No gud taim for fisch, tuu kolt, ju noo.") nicht verhindern lassen. Am Ende steht die Erkenntnis: Zu Hause im Lesesessel ist es auch ganz schön -- zumindest solange es solche Bücher gibt. --Christian Stahl Quelle:
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