Wladimir Kaminer ist ein Russe am Prenzlauer Berg. Nach Berlin gekommen ist er 1990 in den Freudezeiten der Perestroika und auch nur, weil er mal den Westen sehen wollte, keine Bekannten in San Francisco hatte (wie Michail Gorbatschow) und sich ohne Reisepass auch einfach nichts anderes anbot. Nun ja, "zum Spaß" und "aus Neugier" ist er dann einfach da geblieben -- zum Glück, denn der studierte Moskauer Dramaturg und sich nicht immer allzu ernst nehmende "russische Intellektuelle" ist heute eine dieser Kulturpersönlichkeiten, die den frischen Wind in die Stadt gebracht haben, der dort heute an allen Ecken heftigst weht. Russendisko ist Kaminers erster Erzählungsband und er liest selbst mit wunderbar russisch-gebrochener Zunge daraus vor: Von unmotivierten Wohnungsbesetzungen, jugoslawischen Hexen (mit horrenden Honoraren), verrückten Sinti und Roma aus Marzahn, die gern mit Autos gegen Bäume fahren, und dann war da auch noch dieser Künstlerfreund, aus dessen Meißel fast das Holocaust-Mahnmal entstanden wäre (und dann auf einer Erotik-Messe in Hamburg ein großer Erfolg wurde). Wladimir Kaminer erzählt vom ganz normalen Blues und Alltag vor seiner Haustür. Die kleinsten Geschichten sind dabei die größten und so richtig ernst wird es noch nicht einmal dann, wenn der Autor seinem herrlich urrussischen, fatalistischen Schwermut freien Lauf lässt. Berlin ist im Aufbruch, sagt man. Wenn man Kaminer liest, erahnt man, was damit wohl eigentlich gemeint sein sollte: Der Aufbruch führt ins Chaos und hat viele schöne Begleiterscheinungen. Willkommen in Absurdistan... die nächste Tram fährt direkt dorthin. Berliner, lest dieses Buch, so kennt Ihr Eure Stadt noch nicht! Und Nicht-Berliner, packt vorher schon mal Eure Koffer! Darauf einen Wodka, "meine kleinen Freunde"! Russendisko ist auch als Audiobuch auf 1 Kassette erhältlich. --Wolfgang Tress Quelle:
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