Eigentlich schreibt António Lobo Antunes immer am gleichen Buch. So sehr ähneln sich die Romane des 58-jährigen portugiesischen Autors stilistisch, dass man fast meinen könnte, am Ende sollten sie alle zu einem einzigen gewaltigen (Ab-)Gesang auf die nicht immer ruhmreiche Geschichte seiner Heimat vereinigt werden. Vergangenes, Historisches und Verdrängtes verbirgt sich in Lobo Antunes' neuem Roman vor allem in den verstaubten Truhen auf dem Speicher einer prachtvollen Villa in Estoril. Hier stöbert Maria Clara in den Dokumenten, Mörsern, Bazookas, Revolvern und Minen ihres Vaters, der nun im Hospital im Sterben liegt. Früher spielte Maria Clara mit ihrer Schwester Prinzessin und Fee. Jetzt erfüllt sie sich selbst einen Wunsch: die Biografie des Todkranken neu zu erfinden. Denn der einst unverwundbar scheinende Waffenhändler hat sich über sein Leben beharrlich ausgeschwiegen -- anders als die Mutter, die stets betont, Nachfahre von Großgrundbesitzern und Generälen zu sein. So erdichtet Maria Clara ihm ein neues, interessanteres, gesünderes Dasein. Da hilft es auch nichts, dass die Toten als Stimmen (im Kopf Maria Claras?) wieder auferstehen und gegen die Verfälschung ihrer Lebensläufe protestieren. In Die Rückkehr der Karavellen (2000) nahm Lobo Antunes seine Leser mit auf eine surreale Zeitenreise, bei der sich die Heroen Portugals der "unerklärlichen Atmosphäre der Träume entsprechend zusammengerottet" hatten. Im neuen Roman erwachen die Figuren, die "nie etwas sagen wollen" oder "immer voller Wörter und doch stumm" sind, zu neuem, gesprächigerem Leben. Auch wenn Maria Clara dem Vater schwört, von seinen Geheimnissen auf dem Dachboden nichts preiszugeben: Lobo Antunes hat die Stimmen seiner Heldinnen und Helden gewohnt vielschichtig aufgezeichnet. Und damit sein brillant orchestriertes Epos zur Geschichte seiner Heimat einmal mehr grandios fortgeschrieben. --Thomas Köster Quelle:
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