Ursula K.Le Guin ist die Poetin unter den SF-Autoren. Ihr einzigartiger Stil gleicht einem wohl temperierten Klavier: Mit nur wenigen, prĂ€zise gesetzten AnschlĂ€gen bringt sie Akkorde zum Erklingen, die im Leser noch widerhallen, wenn dieser schon lange die letzte Seite umgeblĂ€ttert hat. In ihre Romane streut sie Symbole und Bilder wie musikalische Motive und scheint kaum eine Ă€uĂere Handlung zu benötigen, um uns in den Bann zu schlagen. Die ErzĂ€hler gehört -- ebenso wie Planet der Habenichtse und Die linke Hand der Dunkelheit in das Universum der "Hainish". Diese haben vor Urzeiten das menschliche Leben in unserer Galaxie verbreitet, und so ist eine immense kulturelle Vielfalt entstanden, die erst jetzt nach und nach wieder entdeckt wird. Daraus entwickelte sich eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten fĂŒr Le Guin, Tochter eines berĂŒhmten Anthropologen: In Die ErzĂ€hler schickt sie die junge Linguistin Sutty auf den Planeten Aka, um dessen Kultur zu studieren. Die Terranerin verlĂ€sst nach einer persönlichen Tragödie ihren krisengeschĂŒttelten Heimatplaneten und beginnt ein neues Leben -- durch die Zeitverzerrung vergehen wĂ€hrend ihrer subjektiv kurzen Reise 70 Jahre. Bei ihrer Ankunft herrscht auf Aka ein totalitĂ€res Regime, das sich ganz dem Glauben an den technischen Fortschritt verschrieben hat. Mit nackter Gewalt vernichten die neuen Machthaber Religion und Traditionen und drĂ€ngen die terranische Beobachterin in die Isolation. SchlieĂlich wird Sutty aber eine Reise in die entlegene Bergwelt gestattet. Hier trifft sie auf die unterdrĂŒckten Ăberreste der alten Kultur, auf eine verfolgte Kaste, die ihre Weisheit von Generation zu Generation im "ErzĂ€hlen" weitergibt. Immer höher hinauf in die Berge geht die Reise, immer tiefer dringt Sutty in die Geheimnisse der Bewohner ein. Und im gröĂten Heiligtum von Aka begegnet sie letztendlich ihrem Ă€rgsten Feind. Man mag Le Guin vorwerfen, dass ihr neuester Roman zu sehr eine Variation alter Themen ist, dass er zu viel Moral und zu wenig Handlung enthĂ€lt. Dennoch ist Die ErzĂ€hler unter all den schnellen, grellen SF-Romanen unserer Zeit ein kristallklares Juwel, das sich niemand entgehen lassen sollte. --Birgit Will Quelle:
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