Horror-Roman? Hat da der Klappentext zu viel versprochen? Gut, die Geschichte beginnt mystisch im Warschau des Zweiten Weltkriegs und offeriert manch harte Szene (so ein akribisch geschilderter Selbstmordversuch) -- aber Horror? Oh ja, Horror! Nur baut der sich so langsam und bedrohlich auf, dass man anfangs gar nicht recht daran glauben mag. Genauso wenig wie Marty Strauss, der Hauptakteur des Buchs. Der langjährige Häftling denkt noch an einen Glücksfall, als ihn Unternehmer Joseph Whitehead aus dem Gefängnis holt und zu seinem Leibwächter macht. Das Leben unter einer "Art gnädiger Diktatur" auf Whiteheads Landgut ist schließlich angenehmer als der Alltag hinter Gefängnismauern. Doch woher soll Strauss auch wissen, wie Whitehead sein Vermögen gemacht hat? Denn das ist der Schlüssel zu dem Terror, der langsam über den Wirtschaftsmagnaten (und damit auch über seinen Bodyguard) hereinbricht. Mamoulian, ein Mann aus der Vergangenheit und "ein Geschöpf, das möglicherweise nicht einmal real war", fordert alte Spielschulden ein. Dass ihn dabei ein Kerl namens "Rasierklingenesser" begleitet lässt schon vermuten, dass die Schuldeneintreiber mit äußerstem Nachdruck vorgehen. Britanniens Horrorautor Nummer eins Clive Barker festigte mit diesem 1985 erschienenen und jetzt neu aufgelegten Roman seinen Ruf als Meister der düsteren Erzählung. Barker weiß eine Geschichte ohne Hektik ihrem nervenzerfetzenden Höhepunkt zuzuleiten. Wo andere Autoren sofort zum Brutalo-Holzhammer greifen, führt der Liverpooler Schreiber seine Darsteller behutsam ein und nimmt sich Zeit für ihre Charakterisierung. Ein Weg, der den Einbruch des Schreckens in die scheinbar sichere Umgebung um so schlimmer werden lässt -- und der Weg in einen überraschenden und im besten Sinne furchtbaren Horror-Roman. --Joachim Hohwieler Quelle:
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