Aus Zeitungskolumnen werden Bücher. Auch Dieter E. Zimmers Wortlupe, mit der er jede Woche in der Wochenzeitung DIE ZEIT einen Begriff, eine Redewendung, eine Sprachgepflogenheit genauer untersuchte, gibt es jetzt gesammelt zwischen zwei Buchdeckeln. Da liegt der Vergleich zu Bastian Sicks so erfolgreicher Zwiebelfisch Sprachkolumne nahe, wo doch beiden am Herzen liegt, auf Auswüchse und Schludrigkeiten im Sprachgebrauch hinzuweisen. Wo Sick auf Unterhaltung und flotte Sprüche setzt, ist Zimmer ganz um Seriosität bemüht, wie man sie von dem altgedienten ZEIT-Redakteur und Übersetzer großer Meister wie Nabokov und Joyce seit Jahrzehnten gewohnt ist. In der Sache sind die beiden aber nicht selten einer Meinung, etwa wenn sie die "Pluralitis" (Verantwortlichkeiten statt Verantwortung) oder die Unsitte nachgestellte! r Adjektive (Fernsehen total, Wellness exklusiv) kritisieren oder die Worthülsen von Politikern in Frage stellen. Klar ist jedenfalls: Wörter sind nicht so unschuldig, wie sie scheinen. Wörter können "beschönigen, verbrämen, vertuschen, denunzieren, in die Irre führen, uns für dumm verkaufen oder schlicht lügen". Liest man ergänzend zu den 111 Sprachglossen noch Zimmers letztes Buch -- Sprache in Zeiten ihrer Unverbesserlichkeit --, wird deutlich, dass es hier etwas grundsätzlicher zugeht als beim Sprach-Entertainer Sick. Etwa wenn Zimmer reflektiert, ob man den Holocaust aus sprachlicher Sicht als "singulär und unvergleichbar" bezeichnen kann. Oder wenn er eine Liste mit Phrasen aus der Verwaltungs- und Politiksprache zusammenstellt. Und oft ist es auch der passionierte Übersetzer Zimmer, der sich gegen die Verschandelung der schönen deutschen Sprache zur Wehr setzt, die durch schlechte Übersetzungen und massenhaft auftretende englische Begriffe droht. Aber noch ist die deutsche Sprache ja nicht ganz verloren. Solange es Liebhaber und Sprachpfleger wie Zimmer und Sick gibt. Empfehlen kann man sie und ihre Kolumnen jedenfalls beide. --Christian Stahl Quelle:
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