Nervenheilanstalt Endenich bei Bonn: Der Patient tobt, beschimpft und bespuckt seinen Wärter Klingelfeld, diese treue Seele, die eigens für sein Wohlergehen abgestellt wurde. Musik hört er nicht mehr, dafür Stimmen. "Wie hat sich seine arme Frau mit ihm plagen müssen". Die täglichen Klistiere, sinnlose Quälerei gegen eine sinnlose Krankheit. Wir schreiben das Jahr 1854. Es geht dem Ende zu. Robert Schumann hat noch zwei Jahre zu leben. Diese wie ein Buch ins Buch eingeschobenen Endenich-Szenen sind eine einzige Tour de force. Härtling, inzwischen ein Spezialist für ganz eigene, hocheinfühlsame "Roman-Biographien", kam über seine Romane Schubert und Hölderlin auf Schumanns Spur. Hatte dieser die beiden doch glühend verehrt. Zart wie ein Aquarellist breitet Härtling das Leben des -- 1810 in Zwickau geborenen -- genialen, oft verwirrten, aber auch verwirrenden Komponisten vor dem Leser aus. Dabei entsteht weit mehr als nur Biographisches. Da ist der frühe, rätselhafte Freitod der Schwester Emilie, der wie ein Beilhieb die Familie zerstört. Der Vater geht daran zugrunde. In Schumann jedoch scheint der Schmerz einen Kreativschub ausgelöst zu haben. Nach ungeliebtem Jurastudium und Reisen zu Wagner und Heine nimmt er bei dem berühmten Klavierlehrer Wieck in Leipzig Unterricht. Wiecks Tochter Clara ist zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt. Seine ersten Kompositionen, die "Abegg-Variationen" und "Papillons" erscheinen. Frauen fühlen sich angezogen von Schumann, er bleibt ihnen gegenüber seltsam sprachlos, stammelnd. Am Klavier kann er das Nichtgesagte ausdrücken. Eine jedoch liebt er, wird ihr hörig. Lange vor Clara. Sie ist Schumanns Schicksal. Am Schluß bedankt sich Peter Härtling bei Clara Haskil: "Sie spielte vor mehr als vierzig Jahren in Stuttgart Schumanns Klavierkonzert in a-Moll. Es klingt in meinem Gedächtnis weiter bis auf den Tag." Und führte zu diesem wunderschönen Buch. --Ravi Unger Quelle:
|