Der 1954 in Tel Aviv geborene Ofer Grosbard ist klinischer Psychologe. Geschult am Denken und am therapeutischen Konzept Sigmund Freuds, versucht er in dem vorliegenden Buch, sein Heimatland Israel "auf die Couch zu legen", das heißt dessen Konflikte mit sich und den Palästinensern psychoanalytisch zu deuten und ein dem psychoanalytischem Therapiekonzept analoges Lösungsmuster aufzuzeigen. Ein solches Unterfangen ist freilich aus mehrerlei Gründen problematisch. Erstens steht und fällt es mit den der Psychoanalyse zu Grunde liegenden Prämissen. Zweitens setzt es voraus, dass sich das psychoanalytische Modell auch auf Gruppen und auf Staaten übertragen ließe. Und drittens muss sich Grosbard wohl auch die Frage gefallen lassen, wie eine Psychoanalyse Israels denn zur Lösung des Konflikts beitragen soll, wenn in der Regel nicht einmal Einzelanalysen zum gewünschten therapeutischen Erfolg führen. Dem letzten Einwand könnte man entgegenhalten, dass die Psychoanalyse vielleicht als Therapiekonzept nicht viel taugen mag, wohl aber als wissenschaftliches Erkenntnismittel. Und außerdem: Müssen wir angesichts der Tatsache, dass der Friedensprozess unübersehbar in eine Sackgasse geraten ist, von der bislang niemand so recht weiß, wie man da wieder herauskommt, nicht grundsätzlich nach jedem Strohhalm greifen? Kurzum: Das Buch verdient eine Chance! Und deshalb haben wir es gelesen. Und was haben wir dabei gelernt? Dass die psychoanalytische Perspektive des Autors auf die Beteiligten in vielem sehr provozierend wirken muss -- so vergleicht er beispielsweise das Verhältnis zwischen Palästinensern und Israelis mit dem von pubertierenden Jugendlichen zu ihren Eltern --, aber auch, dass eine solche (zugegeben politisch häufig recht naive) Perspektive, gerade dann, wenn man ihr skeptisch gegenübersteht, durchaus zu neuen Einsichten führen kann. Schaden kann es also nichts. Ob es umgekehrt wirklich weiterhilft? So recht daran glauben mag man nicht. --Andreas Vierecke Quelle:
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