Wer immer in der Vergangenheit die deutsche Übersetzung des Sizilienromans Der Leopard des Herzogs von Parma und Fürsten von Lampedusa Giuseppe Tomasi verschlungen hat, wird beschwören können, eines der schönsten Bücher gelesen zu haben, das Italien im 20. Jahrhundert der Weltliteratur schenkte. Und doch ist er gleich einem doppelten Betrug aufgesessen. Zum ersten war Der Leopard nicht vollständig. Und zum anderen war sein Titel überaus unglücklich übersetzt. Giò Waeckerlin Indunis herrlich schwungvolle Übertragung macht nun gleich mit beiden Irrtümern Schluss. Zum einen, indem sie den Text um zwei umstrittene, endlich von den Erben Tomasis freigegebene Fragmente erweitert und den Roman fast fünfzig Jahre nach seiner posthumen Erstveröffentlichung komplett präsentiert. Und zum anderen dadurch, dass sie ihm seinen ironischen Titel zurückgab. Denn der Gattopardo ist ein kleiner Bruder des Leoparden, des Wappentieres der Salina, der im Unterschied zu seinem gewaltigen Verwandten in der Nacht umherschleicht und aufgrund einer anatomischen Merkwürdigkeit nicht brüllen kann. So bekommt das Meisterwerk vom Glanz und Untergang eines Fürstengeschlechts im italienischen Freiheitskampf nach der Landung Garibaldis bereits zu Anfang endlich wieder jene humorvoll-melancholische Note, die es bis zum Schluss bestimmt. Auch sonst wirkt Inunis Übersetzung so stark und frisch, dass selbst Freunde des Leoparden "ihren" Roman wieder neu entdecken können. Allen anderen -- auch denen, die nur die Visconti-Verfilmung kennen -- sei Der Gattopardo wärmstens ans Herz gelegt. Eine bessere Gelegenheit, einen der größten italienischen Klassiker des 20. Jahrhunderts kennen zu lernen, gab es noch nie. --Isa Gerck Quelle:
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