Was glauben Sie eigentlich, wo Sie hier sind? Bitte keine Ausflüchte (Vor meinem Computer natürlich!), Sie bewegen sich gerade im, nun ja, virtuellen Raum. Einwände wie eigentlich doch nur ein Buch, bloß eben ein paar Milliarden Seiten dick sind nutzlos: Ein Klick brächte Sie zur Stadtverwaltung von Djakarta oder zum Wetterdienst auf Grönland, kein Buch kann so etwas! Ich wette mein Notebook, dass ich Ihnen bereits jetzt auf die Nerven gefallen bin: Cyberspace, wir können das Gerede langsam nicht mehr hören! Eine Revolution um uns her, der Boden schwankt, da tun wir lieber als wäre nichts. Mein Rat: Lesen Sie Margaret Wertheim! Kühl und so gebildet, dass sie auf Imponiergesten verzichten darf, zeigt sie, wie wir unsere Vorstellungen vom Raum gezimmert haben: In der Antike, im christlichen Mittelalter, nach den geografischen und astronomischen Entdeckungen, hin zu Einstein, Heisenberg und dem gegenwärtig elfdimensionalen Raum der Physiker. Und wir lernen verblüfft, wie die Bilder vom Raum jeweils den Raum selbst geformt haben. Diese Darstellung Wertheims allein würde die Lektüre lohnen! Am faszinierendsten aber: Die Wissenschaftshistorikerin vermag überaus faktenreich und anschaulich im Mythos vom Cyberspace das unstillbare Bedürfnis einer religiös verarmten Moderne nach Transzendenz sichtbar zu machen, nach einem Ort über uns hinaus, einem U-Topia. Die Sehnsucht nach jenem Himmlischen Jerusalem des Mittelalters kehrt als entscheidendes Motiv für das Entstehen unserer Vorstellungen vom Cyberspace zurück. Was Sie davon haben? Nun, vielleicht das kleine Aufatmen über eine Vertrautheit im häufig doch ach so Fremden, scheinbar so unvergleichlich Neuen: Eine Beruhigung. --Michael Winteroll Quelle:
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