Klaus Eidam verfolgt mit seinem Buch das Anliegen, Bach-Bilder zu korrigieren, die aus zahlreichen älteren und neueren Bach-Biografien und aus Forschungsarbeiten zu einzelnen Aspekten von Bachs Leben und Werk entstanden sind. Indem Eidam Bach als Person, als Komponisten und als Musiker von solchen Bach-Bildern befreit, will er die Lücken in unserem Wissen über Bach aufdecken und sie mithilfe eigener Recherchen füllen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Bach weder ein "musizierender Gottesmann" gewesen sei, noch ein Komponist der Aufklärung, als welcher er besonders in der Bach-Forschung der ehemaligen DDR dargestellt wurde. Er sei kein Gelehrter und kein Theoretiker, sondern ein forschender Autodidakt gewesen, für den Musik "jener Kontinent war, dessen Erforschung ihn sein Leben lang so in Anspruch nahm wie den großen Amundsen die Erforschung der Arktis". Während der Ausübung aller seiner Ämter -- weltlicher ebenso wie kirchlicher -- habe Bach sich mit größter Geduld und Zähigkeit für die Verwirklichung seiner Ideen als Musiker eingesetzt. Eidam führt materialreich vor, mit welchen Widerständen seitens der Obrigkeit Bach beispielsweise als Thomaskantor in Leipzig zu kämpfen hatte, wo er "gemobbt", ja "zur Unperson gemacht" wurde. Dass der kontrapunktische Stil Bachs schon zu dessen Lebzeiten als antiquiert gegolten hätte, bestreitet Eidam. Bach habe als Meister des harmonischen Kontrapunkts und als Entdecker der temperierten Stimmung ohnehin immer eine Sonderstellung in seiner Epoche eingenommen. Eine Spurensuche, bei der "Lücken zu Fenstern" gemacht werden, wie Volker Hagedorn es in der ZEIT der Bach-Biografie Johann Sebastian Bach von Christoph Wolff anerkennend bescheinigt hat, ist Eidams Buch leider nicht. Eidam ist kein Musikwissenschaftler und will es auch nicht sein. Musikwissenschaftlern spricht er pauschal jeden Kunstverstand ab: "Woher er den Lehm geholt hat, darüber zerbrechen sie sich die Köpfe. Aber was er daraus gemacht hat, darüber wissen sie nichts zu sagen." Was Eidam selbst zu diesem Thema zu sagen hat, muss der Leser aus dem äußerst polemisch geschriebenen Buch herausfiltern, das eher den Titel "Klaus Eidam, ein Leben gegen die Bach-Forschung" verdiente, wenn es denn überhaupt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Bach-Forschung wäre. Eine sinnvolle Gliederung, Anschaulichkeit der Darstellung und jeder Ansatz von Reflexion fallen der Polemik zum Opfer. Am allermeisten die gemessen am Umfang des Buches sehr dünn ausfallenden Aussagen über Bachs Musik. Der Schlusssatz des Buches lautet: "Tatsächlich: Er verbindet uns mit dem All." Das mag wohl sein. Doch zu unserer Verbindung mit Bach trägt Eidams Buch nur wenig bei. --Dorothee Lieberknecht Quelle:
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