Sie suchen einen Reiseführer, der kurz und übersichtlich die wichtigsten Highlights der Stadt zwischen Markusplatz und Rialto-Brücke auflistet und überdies Hoteladressen, Vaporettofahrpläne und Stadtpläne bietet? Davon gibt es viele. Die Gebrauchsanweisung für Venedig erfüllt jedoch keine dieser Anforderungen. Um einen kleinen Vergleich anzustellen: Befahren die meisten Venedig-Guides nur den Canal Grande, schlägt die teils in Deutschland, teils in Italien lebende Autorin die kleinen Seitenkanäle ein und öffnet dem Leser so Bootstore und Haustüren, die garantiert nicht an den touristischen Trampelpfaden liegen. Doch dabei bleibt es nicht. Dorette Deutsch stellt auch die Personen vor, die darin leben. Wie die rührige Marisa, die Besitzerin einer Osteria, die gleichzeitig als soziales Stadtteilzentrum fungiert, oder der Stadtplaner Roberto d'Agostino, der mit seinen radikalen Ideen Venedig vor dem Zerfall retten könnte. Allein derartige Gespräche und die kritische, reflektierte Auseinandersetzung mit der schwierigen Situation Venedigs machen deutlich, dass es Dorette Deutsch nicht reicht, romantische Klischees vom singenden Gondoliere nachzuzeichnen. Sie geht eben einen Schritt weiter und recherchiert emsig. Wo liegen genau die Probleme? Wo wohnen die Arbeiter? Schnell stößt sie also auf Mestre und Porto Marghera, das Festlandsvenedig, und widmet diesen Stadtteilen originelle und fassettenreiche Beobachtungen, die man anderswo vergeblich sucht. Die Konsequenz ihrer Stadtanalyse: In nüchternem Ton berichtet sie von Baustellen und Giftfabriken, bröckelnden Fundamenten und rissigen Häuserfassaden, das letztlich das zerstörerische Werk der Wasser- und Menschenströme ist. Dennoch kommt immer wieder Begeisterung und Bewunderung zwischen den Zeilen auf, von humorvollen Stimmungen -- wie man sie aus anderen Ablegern der Gebrauchsanweisung-Reihe gewohnt ist -- kann jedoch nicht die Rede sein. Fazit: Für den Kurztrip-Reisende und Urlauber, die genau der Klischees wegen nach Venedig kommen, könnte das Buch schwere Kost sein. Für Fans und Leute mit einem Drang nach Hintergrundinformationen empfiehlt sich das Buch auf jeden Fall. --Christian Haas Quelle:
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