Ein paar Seiten muss man schon durchhalten, bis sich einem erschließt, warum der neue Elric-Roman überhaupt ein Elric-Roman ist. Die Hauptfigur der Handlung, die anfangs im Deutschland der späten 30er-Jahre angesiedelt ist, ist schließlich Graf Ulric von Bek, letzter seines Geschlechts und Erbe des Schwertes Rabenbrand. Dass Ulric das Familienleiden des Albinismus teilt, ist ein erster Hinweis auf seine Verbindung zum Zyklus um den bleichen Krieger. Ulric bekommt Besuch von seinem ungeliebten Vetter Gaynor, der sich bei den Nazis hochgedient hat. Gaynor hat es offenbar auf Rabenbrand abgesehen -- doch das Schwert entzieht sich eigenmächtig seinem Zugriff. Die Flucht vor Gaynor gerät zu einer Moorcock-typischen Odyssee durch ein bizarres Multiversum, in dem sich Figuren aus seinen anderen Romanen bei ihren Gastauftritten die Klinke in die Hand geben. Für Moorcock-unkundige Leser macht das den Roman streckenweise schwer zugänglich. Trotzdem erschafft Moorcock eine stringente, schlüssige und nicht zuletzt spannende Geschichte, die lediglich zum Ende hin gewisse Längen aufweist, wenn sich eine ergebnislose Konfrontation mit Gaynor an die andere reiht. Zu den Minuspunkten zählt auch Moorcocks hemmungsloses Recycling eigener Stoffe: Das Halbfinale von Tochter der Traumdiebe ist nahezu komplett seinem früheren Roman Das ewige Schwert entlehnt. Besonders reizvoll ist dafür die Konfrontation zwischen dem humanistischen Ulric und seinem grausamen Alter Ego Elric. Moorcocks Betrachtungen über den Faschismus sind ein eigenes Thema. Auf den ersten Seiten erscheinen sie krude und apologetisch, doch das Urteil erweist sich als verfrüht: Moorcock bleibt hier der Gedankenwelt des traditionalistischen Ulric von Bek treu, die er im weiteren Verlauf des Romans kritisch bricht. Die Charakterisierung des Faschismus als "ewiger Verräter", die Moorcock in sein Zweiweltenschema aus Ordnung und Chaos einbettet, erweist sich auf den zweiten Blick als durchaus vielschichtig. Auch die für Moorcock charakteristischen philosophischen Betrachtungen fügen sich angenehm nahtlos in die Handlung ein. Die Einbeziehung solcher Themen mag Geschmackssache sein, aber sie heben Moorcock aus dem Fantasy-Einheitsbrei heraus. Tochter der Traumdiebe bleibt unter dem Strich, wie so viele Moorcock-Romane, ein ambivalentes Vergnügen -- wobei die Betonung auf Vergnügen liegt. --Jakob Schmidt Quelle:
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