Ein wunderbares Buch, das eine wichtige Lücke füllt: Wer glaubt, schon hinreichend über die beiden ältesten Mann-Kinder Erika und Klaus gelesen zu haben, täuscht sich. Denn bislang waren im Wesentlichen nur Monografien erschienen -- Klaus von der Schwulenbewegung als tragisches Vorbild gekrallt, Erika von der Frauenbewegung. Dabei lag die Idee, eine Doppelbiografie zu schreiben, durchaus nahe: Nicht nur, dass Erikas erste Begegnung mit ihrem ein Jahr jüngeren Bruder Liebe auf den ersten Blick war, sondern auch als Erwachsene verband sie eine "fast lebenslange künstlerische Zusammenarbeit", wie Andrea Weiss konstatiert. Die Amerikanerin Andrea Weiss, die ebenfalls einen Dokumentarfilm über das Geschwisterpaar gedreht hat, beeindruckt als Biografin durch ihre kongeniale künstlerische Sensibilität, mit der sie sich den beiden nähert, ohne sich jemals in den Vordergrund zu schieben. Man merkt dem Buch an, dass es sich auf langwierige Recherchen stützt, aber das Resultat selbst ist leichtfüßig, konzentriert und kommt, sehr undeutsch, mit einem Minimum an Fußnoten aus. Auch Fotos werden nur dort eingesetzt, wo sie wirken können, ohne durch Überfülle oder sattsame Bekanntheit zu erschlagen. Was sind die genannten Lücken, die Andrea Weiss ohne Nachdruck füllen kann? Erika und Klaus Mann reihen sich bei ihr in das Bild einer wirklich verlorenen Generation ein, deren Schicksal über individuelles Pech weit hinausgeht. Deutlich schärft sich zum Beispiel das Bild, warum Erika Mann schon bald nach dem Krieg als eigene Stimme verstummt und nur noch als (nicht selten übellaunige) Sekretärin ihre Vaters in Erscheinung tritt. Das Leben in der Emigration hat sie zermürbt: Eine kritische Intellektuelle, die lesbische Affären hat, lässt man in der McCarthy-Ära nicht amerikanische Staatsbürgerin werden und seien ihre Verdienste im Kampf gegen Hitlerdeutschland noch so groß. Hinzu kommt nach 1949 die Trauer um Klaus, den von Anfang an Sensibleren, Drogensüchtigen, vollends Entwurzelten. Angesichts solcher Tragik sollten die späteren Verfechter der inneren Emigration verstummen. --Stephanie Sellier Quelle:
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